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Königlich Sächsischer Haus-Orden der Rautenkrone. Bruststern des Ordens, (Zweit-)Anfertigung des kaiserlich französischen Hofjuweliers Marie-Guillaume Biennais in Paris zwischen der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1807 und wohl 1808, 107,5 x 108,1 mm

DEUTSCHE ORDEN UND EHRENZEICHEN
SACHSEN, SACHSEN, KURFÜRSTENTUM (BIS 1806) UND KÖNIGREICH (1806-1918)

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Lot number 1335






Estimated price: 75,000.00 €
Hammer-price / sale price: 110,000.00 €


Königlich Sächsischer Haus-Orden der Rautenkrone. Bruststern des Ordens, (Zweit-)Anfertigung des kaiserlich französischen Hofjuweliers Marie-Guillaume Biennais in Paris zwischen der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1807 und wohl 1808, 107,5 x 108,1 mm, Silber, Medaillon Gold, tlw. feinst graviert und ziseliert, tlw. emailliert, Silber tlw. feinst ziseliert, 93,6 g, min. Chips an mehreren Stellen der grünen Emaille, die Buschstaben "N" und "T" in "DENTIAE" etwas eingedrückt, eine "Spitzen-Schlaufe" auf 1/2 5 abgebrochen, ohne Revers-Abdeckung des Medaillons (war konstruktionsgemäß nie vorhanden), mit Broschiersystem aus Eisen, darauf die Herstellerbezeichnung "BIENNAIS". Im alten, speziell für diesen Bruststern wohl zwischen 1815 und 1820 gefertigtem grünledernen Etui mit blauer Einlage, der Deckel mit goldener Bezeichnung "Kön: Sächs: Rauten-Orden / (Haus=Orden) / Eigenthum Napoleons / - / Erhalten in der Schlacht / bei Belle Alliance". Angeboten mit umfangreichem Dokumentationsmaterial (Photokopien). BWK2 534; OEK21 2067/2 var.

Unikales Exemplar von überragender phaleristischer, höchster historischer und wahrlich musealer Bedeutung, nachweisbar aus dem persönlichen Besitz des Mannes, der wie kein Zweiter die politische Landkarte Europas und Kultur zu Beginn des 19. Jahrhunderts und somit auch die heutige europäische Staatenlandschaft entscheidend geprägt hat, auf dem Schlachtfeld erbeutet zum Zeitpunkt seiner größten Niederlage, die sein endgültiges Schicksal besiegeln sollte, von seinem militärischen Gegner verschenkt an den damals noch jungen späteren Generaladjutanten des preußischen Königs, und trotz aller Wirrnisse der Geschichte nicht untergegangen.

Im Verlauf des Vierten Koalitionskrieges, bzw. Dritten Napoleonischen Krieges kam es am 14. Oktober 1806 zur Schlacht bei Jena und Auerstedt, in der auch 22.000 sächsische Soldaten auf preußischer Seite gegen die siegreichen Franzosen unter Kaiser Napoléon I. (1769-1821, Kaiser von 1804-1814/15) kämpften, woraufhin Sachsen unter eine kurzzeitige französische Besatzung kam. Nach dem Waffenstillstand vom 23. Oktober 1806 wurde im Frieden von Posen vom 11. Dezember 1806 zwischen Frankreich und Sachsen das Kurfürstentum zum Königreich erhoben und in den am 12. Juli 1806 gegründeten Rheinbund aufgenommen. Kurfürst Friedrich August III. (1750-1827, reg. seit 1763) wurde zum König Friedrich August I. und Sachsen stellte nunmehr ein Kontingent von 20.000 Mann auf französischer Seite im fortdauernden Krieg gegen Preußen.

Im Frieden von Tilsit vom 7. bis 9. Juli 1807 zwischen dem russischen Kaiser Alexander I. (1777-1825, reg. seit 1801) und dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1770-1840, reg. seit 1797) einerseits und Napoléon I. andererseits, erhielt Sachsen von Preußen die Herrschaft Cottbus zugesprochen. Gleichzeitig wurde König Friedrich August I. zum in Personalunion regierenden Herzog von Warschau erhoben.

Der Rückweg von Tilsit führte Napoléon über Bautzen nach Dresden, wo er, überaus prunkvoll empfangen, am 17. Juli eintraf und bis zum 22. verweilen sollte. Schon im Vorfeld waren allenthalben erhebliche Vorbereitungen getroffen worden.

In diesem Zusammenhang sind auch die Vorbereitungen zur Stiftung des Hausordens zu sehen, worüber der Generaladjutant König Friedrich Augusts I, Generalleutnant Karl Wilhelm Ferdinand von Funck (1761-1828) ausführlich (in: Brabant, Artur: Im Banne Napoleons - Aus den Erinnerungen des sächsischen Generalleutnants und Generaladjutanten des Königs Ferdinand von Funck. Dresden o. J. S. 246) berichtet wie folgt:

"In Warschau hatte der Fürst von Веnеvепt (Anm.: Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord, ab 1806 Fürst von Benevent, ab 1807 Herzog von Talleyrand-Périgord, Außenminister Napoléons - 1754-1838) zu mir gesagt, die Franzosen hätten "ein wenig den Ordensvogel", und da der König wahrscheinlich einen eigenen Orden errichten würde, so riet er ihm, bald dazu zu tun, ihn dem Kaiser anzubieten, der sich geschmeichelt fühlen würde, wenn der König dagegen den Wunsch äußerte, das Band der Ehrenlegion zu tragen. Alsdann würden wir ein wohlfeiles Mittel haben, uns einige von den Umgebungen des Kaisers zu verbinden, um so mehr, wenn der König seinen Orden in Wert erhielte, indem er ihn nicht gar zu freigebig verteilte. Ich berichtete dieses sofort nach Dresden, aber obgleich der König es schon früher gewollt hatte, die Statuten des Ordens bereits aufgesetzt waren, und der Graf Bose (Anm.: Carl August Carl Graf von Bose, Wirklicher Geheimer Rat und königl. sächsischer Hofmarschall - 1787-1862) die Sache unterstützte, konnte man sich doch nicht dazu entschließen. Als ich im April wieder nach Warschau kam, erinnerte mich Тallеугand daran, und ich trieb nun nach meiner Rückkehr bei dem Grafen Bose. Der König sprach selbst darüber mit mir, aber die Sache stieß sich daran, daß der Fürst von Benevent mir den Rat nur im Gespräch, nicht offiziell, nicht schriftlich gegeben hatte. Wir wollten nun ein für allemal zu allem Befehl erhalten; ich schlug daher dem Grafen Bose vor, darüber an Тallеугand zu schreiben, und sobald die Antwort kam, wurden gleich die Bänder, Sterne und Kreuze in großer Eile verfertigt. Es wurden Großkreuze der Rautenkroпe und des Heinrichsordens gemacht, bei der Ankunft des Kaisers sollten sie eingeweiht werden."

Über den eigentlichen formalen Stiftungsakt sind bisher keine Informationen bekannt geworden, jedoch datieren die nach den Vorgaben König Friedrich August I. in deutscher und französischer Sprache verfaßten und von Camillo Graf Marcolini-Ferretti (1739-1814 - von 1769 von 1799 sächsischer Oberhofmeister, von 1799 bis 1809 Oberstallmeister und von 1809 bis 1813 königlich sächsischer Kabinettsminister) unterzeichneten Statuten vom 20. Juli 1807. Darin wird in der Präambel ausgeführt (laut Statuten des Ordens im Sächsischen Staatsarchiv):

"Nachdem Wir das Bedürfniß eines Haus-Ordens bereits lange gefühlt haben; So wollen Wir jetzt, nach hergestelltem Frieden und nach angenommener Königswürde, der Ausführung dieses Wunsches um so lieber Platz geben, als Wir dadurch Unsere Nachfolger im Reiche an die Zeiten erinnern, wo die Vorsehung zu Unserer und Unserer Staaten Erhaltung so kräftig gewirkt hat, und dabei Gelegenheit finden, mehrere um Uns und Unsere Lande verdienten Männern, Unsere Achtung und Zuneigung öffentlich zu bezeigen."

Weber, Arnold und Keil geben (in WB S. 52) als Stiftungsdatum den 20. Juni 1807 an, was jedoch in der Corrigenda mit Stand vom September 2014 auf "20. Juli 1807" korrigiert wird. Sicher ist, daß im Verlauf eben dieses 20. Julis 1807 (laut Matrikel des Ordens im Sächsischen Staatsarchiv, loc. 30344, p. 1) König Friedrich August I. die Insignien des Hausordens am Schulterband und den Bruststern angelegt hat, ohne jedoch selbst als Ordensritter in die Matrikel aufgenommen worden zu sein. Über die hierauf folgenden Geschehnisse, also die erste Verleihung des Ordens bzw. den "Austausch" der Insignien des Hausordens der Rautenkrone und des Grand Aigle der Ehrenlegion zwischen Napoléon und Friedrich August berichtet von Funck (in: Brabant, a. a. O. S. 246 f.) wie folgt:

"Eines Morgens fand ich den König mit dem grünen Bande geziert, und er befahl mir, ihn bei dem Kaiser anzumelden. Napoleon antwortete mir sehr freundlich, und ich holte nun den König, der mir ein Paket Bänder zu tragen gab. Er ging mit dem Kaiser, der ihm im Vorzimmer entgegen kam, in das innere Zimmer und sagte ihm, er hätte sich entschlossen, diesen Zeitpunkt durch die Errichtung des Ordens von der Rautenkrone zu feiern, und er ersuchte den Kaiser, diesen neuen Orden dadurch zu ehren, daß er der erste Ritter desselben werde, so wie er selbst sich sehr geschmeichelt finden würde, wenn er dagegen das Band der Ehrenlegion tragen könnte.

Napoleon nahm dieses Kompliment sehr freundlich auf und der König öffnete nun die Tür, um sich von mir das Band geben zu lassen, aber der Kaiser hatte sein eigenes Band schon abgenommen, hing es dem König, eigenhändig um und bat sich dagegen dasjenige aus, welches dieser selbst getragen hatte. Da sie mit dem Umhängen nicht recht fertigwerden konnten und niemand zugegen war, während ich an der offenen Tür stand, hatte ich die Ehre, bei beiden den Kammerdiener zu machen. Sie traten nun gleich zusammen in das Vorzimmer heraus, und es nahm sich ziemlich seltsam aus, daß das lange grüne Band des Königs dem Kaiser fast bis an das Knie reichte, während Friedrich August das rote Band von Napoleon ganz kurz, wie eine Patronentasche, trug."

Weiter berichtet er, daß an diesem Tag auch Prinz Jérôme, der Bruder des Kaiser (1784-1860, von 1807 bis 1813 König von Westphalen), der Fürst von Benevent, General Géraud de Michel du Roc de Brion, Herzog von Friaul (1772-1813) und General Armand Augustin Louis, Marquis von Caulaincourt und Herzog von Vicenza (1773-1827), sowie auf sächsischer Seite die Grafen Bode und Marcolini, den Orden erhielten.

Das Kleinod König Friedrich Augusts I. das wie oben berichtet, Napoléon I umgelegt worden war, wurde, zusammen mit dem Schulterband, stets von ihm mit seinen weiteren Ordensinsignien auf seinen Reisen durch Europa in einem besonderen Kasten in der kaiserlichen Equipage mitgeführt. So gelangte es laut Wodey und Autengruber (in N1 S. 72 ff.) schließlich am späten Abend der Schlacht von Waterloo (Belle Alliance) am 18. Juni 1815 als Kriegsbeute an die Preußen und am kommenden Morgen in den Besitz des preußischen Feldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819), der das Kreuz laut Chefdebien (in N1 S. 217) zusammen mit weiteren Dekoration an den anwesenden niederländischen General Willem Benjamin van Panhuys (1764-1816) als Geschenk übergab. Diese Gruppe Auszeichnungen erwarb der spätere Fürst Louis II. von Monaco (1870-1949, reg. seit 1922) Anfang des 20. Jahrhunderts für seine bedeutende Napoléonica-Sammlung. Das Stück befand sich bis zum Jahre 2014 im Napoléon-Museum im fürstlichen Schloss von Monaco, als es am 16. Dezember 2014 in der Auktion des zweiten Teils des Bestandes des inzwischen aufgelösten Museums bei Osenat in Fontainebleau (Osenat: Collection napoléonienne du Palais princier de Monaco - Dimanche 16 novembre 2014 - Fontainebleau. S. 180 ff. Kat.-Nr. 123) angeboten und an Unbekannt verkauft wurde.

Doch zurück zu dem hier angebotenen Bruststern. Zum Kleinod des Hausordens der Rautenkrone gehörte damals noch ein gestickter Bruststern, den Napoléon ebenfalls erhalten hatte. Aus praktischen Gründen mochte er keine solchen gestickten Bruststerne, mussten diese jedoch stets bei notwendigen Gelegenheiten auf der Uniform angenäht und danach wieder abgetrennt werden. Deshalb hat er bei seinem Hofjuwelier Marie-Guillaume Biennais in Paris (Zweit-)Anfertigungen aus Metall anfertigen lassen, z. B. vom preußischen Hohen Orden vom Schwarzen Adler, vom badischen Hausorden der Treue, und eben auch, wohl gleich nach seiner Rückkehr aus Dresden, vom sächsischen Hausorden der Rautenkrone.

Auch dieses Exemplar begleitete ihn auf seinen Reisen, hielt er sich doch insgesamt elf Mal im Zeitraum zwischen 1807 und 1813 in Dresden auf. Und so gelangte auch dieser Bruststern am späten Abend der Schlacht von Waterloo am 18. Juni 1815 als Kriegsbeute an die Preußen und am kommenden Morgen in den Besitz des preußischen Feldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher. Dieser schenkte den Bruststern dem preußischen Premierlieutenant (seit 9. Juni 1815) Johann Georg Philipp von Wussow (1792-1870), der seit 22. März 1815 im Generalstab des Fürsten Blücher diente. Wussow ließ sich zu dessen Aufbewahrung ein besonderes Etui anfertigen, in dem er sich heute noch befindet. Im Verlauf seiner Karriere brachte er es zum preußischen General der Infanterie und Generaladjutant (1863) des preußischen König Wilhelms I. (1797-1888, reg. seit 1861).

Nach Wussows Tod 1870 verblieb der Bruststern in seiner Familie. Nach einem Schreiben der großherzoglich hessischen Ordenskanzlei in Darmstadt vom 30. Juni 1913, stellte Anna Maria Charlotte Luise von Wussow, Witwe des preußischen Generalleutnants Botho von Wussow (1828-1891), des jüngeren Sohns Johann Georg Philipps von Wussow, den Bruststern für die Ausstellung aus Anlass der Jahrhundertfeier der Befreiungskrieg 1813-1913 zur Verfügung. Der Autor des Schreibens, der königl. sächsische (sic!) Oberleutnant Wilhelm Grimm informierte die königlich sächsische Ordenskanzlei in Dresden über das Vorhandensein des Bruststerns in der Ausstellung und regte an, daß man dort den Bruststern vielleicht erwerben wolle. Allerdings zeigten sich laut einem Beschluss der sächsischen Ordenskanzlei vom 2. Juli 1913 weder die Ordenskanzlei noch das Ministerium des Königlichen Hauses an dem Bruststern interessiert.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt geriet das Exemplar auf privatem Wege an einen Sammler und zu einem späteren Zeitpunkt auf privatem Wege zu einem weiteren Sammler, dem Einlieferer des Exemplars.

Dieser Bruststern war als Leihgabe auch in der bedeutenden Ausstellung "La Berline de Napoléon - Le mystère du butin de Waterloo" [Das Berlin Napoléons - Das Geheimnis der Waterloo-Beute] vom 7. März bis 8. Juli 2012 im Nationalen Museum der Ehrenlegion und der Ritterorden [Musée national de la Légion d’honneur et des ordres de chevalerie] zu sehen, zusammen mit anderen Stücken der preußischen Waterloo-Beute, so vor allem den bis 1943 im Berliner Zeughaus befindlichen und heute im Staatlichen Historischen Museum [Государственный Исторический музей] in Moskau ausgestellten Ordensinsignien des Kaisers. Im gleichnamigen umfangreichen Katalog zur Ausstellung wurde er von Anne de Chefdebien, Kuratorin des Museums der Ehrenlegion, unter Mithilfe des Autors dieser Zeilen, ausführlich dargestellt und beschrieben (in N1 S. 216-219), nachdem er zuvor in den wissenschaftlichen Labors des Louvre in Paris sehr ausführlich, so auch auf Alter und Originalität untersucht worden war.

Aber auch in weiteren Werken wurde dieser Bruststern abgebildet und dokumentiert, so in dem 1987 in Offenbach am Main erschienenen Buch "Die Orden des Königreichs Sachsen" von Dieter Weber, Paul Arnold und Peter Keil (WB) auf Seite 57, Abbildung Nr. 41. Auch Karsten Klingbeil und Andreas Thies zeigen in Band II ihres vierbändigen Werkes "Orden 1700-2000" (KB2) auf Seite 158, Abbildung Nr. 2215 Avers und Revers dieses auch dort Napoléon I. zugeschriebenen Bruststerns.


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