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DR. EUGEN MERZBACHER NACHF., Auktion [21] vom 6.10.1908 u.f.T., München.

DR. EUGEN MERZBACHER NACHF.
Auktion [21] vom 6.10.1908 u.f.T., München.

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Losnummer 4154




Schätzpreis: 10,00 €
Zuschlag: 55,00 €


DR. EUGEN MERZBACHER NACHF. Auktion [21] vom 6.10.1908 u.f.T. München.
[Katalog 21.] Münzen und Medaillen aller Länder, darunter große Serien: I. von Baden und Süddeutschland, sowie von Medaillen Napoleon I. (Sammlung des verstorbenen Herrn L in Karlsruhe); II. von Bayern und Pfalz und Raritäten aller Länder (Sammlung eines Münchner Amateurs), III. des Erzbisthums und der Stadt Köln (Sammlung des Herrn Josef Levy in Brüssel) u. a. 4 unpaginierte, 91 S. 11 Tfn. 1270 Nrn. Steifbroschur, wohl des dritten Viertels des 20. Jahrhunderts, mit schwarz beschichteten leinernen Eckbezügen, und leinenbezogenem, goldgeprägtem Rücken. Die Deckel außen bezogen mit blau und schwarz gewolktem Faserpapier.


Den Familiennamen "des verstorbenen Herrn L" vervollständigt Detlef Tietjen mit "Leichtlin". Bei diesem dürfte es sich um einen Abkömmling aus der gleichnamigen Karlsruher Kaufmanns- und Fabrikantenfamilie Leichtlin gehandelt haben, in deren Besitz sich die Kunst- und Papierhandlung und -fabrik Gebr. Leichlin befand, die spätestens in den Neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Europas zählte. In Frage kommt hier insbesondere Hermann Leichlin (* 1823 in Mühlburg, Ó 1896 in Karlsruhe), der ursprünglich zusammen mit seinem älteren, schon 1857 verstorbenen Bruder Mitinhaber das Unternehmen führte. An die Stelle des Älteren trat pflichterfüllt der jüngere Bruder Maximilian (* 1831 in Karlsruhe, Ó 1910 in Baden-Baden), der eigentlich seinen Lebensweg als Gartenbauer und Botaniker angelegt hatte. Maximilian schied 1870 wieder aus dem Unternehmen aus, um sich wieder auf seine erlernte Tätigkeit und Passion zu konzentrieren, nachdem seine Neffen Rudolf (Ó 1915 im Alter von 66 Jahren) und Camill (Ó 1914) ihre Ausbildung abgeschlossen hatten und die beruflichen Aufgaben ihres verstorbenen Vaters übernehmen konnten.

Die Münzen und Medaillen "von Bayern und der Pfalz und Raritäten aller Länder aus Münchner Besitz" schreibt Tietjen dem Sammler "Frauendorfer" zu. Heinrich [von] Frauendorfer (* 1855 in Höll bei Waldmünchen, Oberpfalz, Ó in Geiselgasteig bei Grünwald, Oberbayern) absolvierte in München ein Studium der Rechtwissenschaften und schlug danach eine Karriere als Staatsbeamter ein. Zunächst war er für die Bayerischen Staatseisenbahnen tätig, 1899 arbeitete er als Oberregierungsrat in der Verkehrsabteilung des Außenministeriums und erhielt im Folgejahr die Beförderung zum Ministerialrat sowie das Ritterkreuz des Verdienstordens der bayerischen Krone verliehen und erhielt zugleich die Erhebung in den Personaladel, eine Nobilitierung, die 1908 für ihn und seine Nachkommen durch die Verleihung des Erbadelstitels ersetzt wurde. Vom 1. Januar 1904 bis zu seiner Pensionierung am 12. Februar 1912 amtierte er als Staatsminister des Ministeriums für Verkehrsangelegenheiten im Königreich Bayern, zugleich fungierte er von 1910 bis 1912 als Bevollmächtigter des Königreichs Bayerns im deutschen Bundesrat. Zu einem seiner Verdienste in seiner Amtszeit zählte die Elektrifizierung der Eisenbahnen im Königreich Bayern. Als Pensionist gründete er zusammen mit Edgar Jaffé (* 1866 in Hamburg, gestorben 1921 in München, seit 1910 Dozent an der Handelshochschule München, 1918-1919 Finanzminister des Freistaats Bayern) die "Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung", die in Berlin bis zum Jahre 1922 erschienen ist. Aus seinem Ruhestand heraus wurde von Frauendorfer einen Tag nach Abdankung des Königs Ludwig III. von Bayern am 8. November abermals zum Staatsminister für Verkehrsangelegenheiten berufen. Er bekleidete dieses Amt zunächst bis zum 17. März 1919 und abermals vom 16. März bis zum 1. April 1920, um anschließend als Staatssekretär und Vorstand der Abteilung Bayern in das Reichsverkehrsministeriums zu wechseln. Von dieser Aufgabe trat er im Januar 1921 zurück.
Heinrich von Frauendorfer entwickelte unter Einfluss seines studentischen Corpsbruders und zugeich Schwiegervaters, des Staatswissenschaftlers, Bankiers und Publizisten Albert Wild (1830 in Weiden, Oberpfalz, Ó 1896 in Cincinnati, Vereinigte Staaten von Amerika) ein intensives Interesse an der Numismatik. Als frühes Mitglied der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft amtierte er von 1899 bis 1921 als ihr erster Vorsitzender und publizierte in den Mitteilungen jenes Kreises einige Fachartikel zu mittelalterlichen und neuzeitlichen Münzfunden sowie zur Medaillenkunde. Seine vielseitigen numismatischen Kenntnisse wurden weithin geschätzt, ebenso seine uneigennützige Hilfsbereitschaft, die "privaten Sammlern und insbesondere Öffentlichen Museen zugute gekommen ist" (Max Bernhart). Mitglieder der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft inspirierten 1915 den Münchener Medailleur Hans Schwegerle zum Entwurf einer Medaille zu Ehren des 60. Geburtstag ihres verdienten Vorsitzenden. Aus dem Entwurf resultieren vier verschiedene Ausfertigungen, die bei Poellath in Schrobenhausen in Form einer in drei unterschiedlichen Foramten gefertigten Prägeversion sowie als großformatiger Guss hergestellt worden sind (Wolfgang Hasselmann, Hans Schwegerle - Medaillen und Plaketten, Regenstauf 2000, Nr. 123-126; Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 31/32, 1981/82, S. 33, Nr. 12). Angetrieben von seiner sammlerischen Leidenschaft für die Medaillenkunst der Renaissance, beging von Frauendorfer aber einen fundamentalen Fehler, der ihn in höchste existentielle Not und Furcht vor dem Verlust seiner gesellschaftlichen Existenz brachte, wodurch er sich am 23. Juli 1921 zum Freitod durch einen Revolver gezwungen sah. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet wegen des Fälschens historischer numismatischer Objekte. Dieser Vorwurf soll bereits einige Monate bestanden und von Frauendorfer bereits im Januar 1921 dazu bewogen haben, von seinem Posten als Staatssektretär im Reichsverkehrsministerium zurückzutreten (Hamburger Fremdenblatt, Ausgabe vom 23. Juli 1921). Die Münchener Staatanwaltschaft gab am 30. Juli zum Stand der Erittlungen u. a. folgende Stellungnahme an die Presse: "... Fest steht, daß v. Frauendorfer seit sieben Jahren von seltenen alten Medaillen Nachdrucke [korrekt: Nachgüsse, Anm. D. H.] herstellen und ziselieren und dabei ein Verfahren anwenden ließ daß die Herstellung der Nachdrucke in der Größe der Originale ermöglicht. Gerade hierdurch ist die Herstellung von Fälschungen erschwert. Fest steht weiter, dass von Fraundorfersche Nachbildungen seltener alter Medaillen als echte Stücke in den Verkehr kamen. Für einen Teil davon ist schon heute nachgewiesen, daß Stücke gleicher Art im Auftrage Frauendorfers nachgegossen und ziseliert worden sind" (Frankfurter Zeitung, Ausgabe vom 2. August 1921; Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin, Ausgabe vom 1. August 1921). Der Münchener Numismatiker Prof. Dr. Max Bernhart veröffentlichte 1932 in der Zeitschrift "Numismatik, Internationale Monatszeitschrift" eine Analyse der technischen Fertigung der Frauendorfer'schen Kopien deutscher Renaissancemedaillen aus Silber, Bronze und Blei samt einer Liste der ermittelten 112 Typen. Bernharts Beitrag wurde von Jean Paul Divo, durch ein Vorwort sowie mit 3 Tafeln erweitert, im "Bulletin on Counterfeits" 10, No. 1, 1985, S.10-27 abermals publiziert.

Zu dem damals in Brüssel niedergelassenen Josef Levy können keine weiteren biographischen Angaben gemacht werden. Als Münzensammler ist er noch für das das Jahr 1914 verbürgt, wohnhaft in Brüssel, 36, rue des Prairies (Joseph Zenker [Hrsg.], Pantheon: Adressbuch der Kunst- und Antiquitäten-Sammler und -Händler, Bibliotheken, Archive, Müseen, Kunst-, Altertums- und Geschichtsvereine, Bücherliebhaber, Numismatiker. Ein Handbuch für das Sammelwesen der ganzen Welt, Esslingen a. Neckar 1914, S. 81). Nach der Vermarktung seiner Kollektion von Prägungen des Erzbistums und der Stadt Köln wurde seine Sammlung von Münzen und Medaillen der Pfalz durch Sally Rosenberg im Rahmen der Auktion vom 1.11.1910 in Hannover aufgelöst.

Auf dem Spiegel des Vorderdeckels das Exlibris Numismatische Bibliothek Siegmund Werkner, Innsbruck. Werkner (* 1916 in Ungarn, Ó 1991 in Innsbruck) war Gründer und Inhaber der Tiroler Münzhandlung, einer der damals führenden österreichischen Firmen dieser Branche. Ferner ein kleines Empfehlungsetikett der Firma Anton Schwab Söhne, Buchbinderei, Kartonagen, 6020 Innsbruck, Stadtweg 4 / Herzog-OttoStraße 10.