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Eine lange Brücke zum Nutzen aller

31. Mai 2019


Mehr Brücken als Venedig zu haben, diesen Anspruch erheben eine ganze Reihe von Städten. Berlin gehört zu ihnen. Wobei die Zahl der Berliner Brücken unterschiedlich angegeben wird. Aber ob 546, 969, 1.600 oder gar 2.100 Brücken - die ca. 400 Brücken Venedigs schlägt Berlin leicht. Wobei natürlich auch bei Brücken nicht Masse, sondern Klasse zählt. Doch da hat Berlin einiges aufzuweisen...

Stadtplan von Berlin aus dem Jahr 1688, vor dem Bau der neuen Brücke aus Stein.

Lange Brücke, Kurfürstenbrücke oder Rathausbrücke?

Furore machte in den vergangenen Jahren die Frage, ob man die Berliner Rathausbrücke nicht in dem Stile hätte rekonstruieren sollte, in dem sie 1895 errichtet worden war. Wobei man sich durchaus fragen darf, warum man nicht gleich auf den ersten steinernen Bau zurückgriff, der an dieser Stelle stand. Er prägte immerhin 200 Jahre lang das Stadtbild. Die Kurfürstenbrücke von 1895 stand dagegen nur 50 Jahre lang.

Friedrich III. als Kurfürst. Goldmedaille zu 20 Dukaten 1692 von R. Faltz. Äußerst selten. Sehr schön bis vorzüglich. Bewertet von NGC mit AU55. Taxe: 50.000.- Euro. Aus Auktion Künker 324 (27. Juni 2019), Nr. 3798.

Zum Nutzen aller

Eine äußerst seltene Medaille im Gewicht von 20 Dukaten zeigt uns diese erste Brücke aus Stein. Das Stück ist auf das Jahr 1692 datiert, also auf das Jahr, in dem die Grundsteinlegung erfolgte. Der Medailleur Raimund Faltz schnitt die Stempel.
Er zeigt auf der Vorderseite das beeindruckende Barockporträt des Auftraggebers, Friedrichs III. Die Rückseite präsentiert die geplante Brücke. Deutlich erkennbar sind die fünf Bögen, mit denen sie 200 Jahre lang die Spree überspannen sollte.
Der Architekt Johann Arnold Nering zeichnete für die Konstruktion verantwortlich. Er hatte 1691 von Friedrich den Auftrag erhalten, den Vorgängerbau aus Holz durch eine steinerne Brücke zu ersetzen. Nicht etwa, dass die hölzerne Brücke zu alt gewesen wäre! Im Gegenteil. Erst 1661 hatten die beiden Städte Berlin und Cölln 400 Taler bezahlt, um aus dem Bauholz, das ihnen der Kurfürst zur Verfügung gestellt hatte, eine Brücke errichten zu lassen. Diese hatte ihrerseits einen Vorgängerbau aus dem hohen Mittelalter ersetzt, der rund vier Jahrhunderte lang seinen Dienst getan hatte.
Das Resultat von 1661 war eine praktische, aber nicht wirklich eindrucksvolle Konstruktion, die aus einer mit Sand bestreuten hölzernen Bahn und einem beidseitigen, niedrigen Gelände bestand. Als Aufgang zu seinem Schloss schien das Friedrich III. nun wirklich nicht geeignet. Er wollte etwas Repräsentatives. Und so erfolgte 1692 die Grundsteinlegung zu einer neuen Brücke.
Dass dieses Projekt durchaus seine Kritiker gehabt haben mag, darauf lässt die Inschrift der Rückseite schließen. VTILITATI PVBLICAE - zum Nutzen aller, so charakterisiert der Kurfürst sein kostspieliges Bauprojekt. Als ob dem durchschnittlichen Kaufmann eine Holzbrücke nicht genauso nützlich gewesen wäre...

Die lange Brücke Friedrichs III. vor dem Neubau des Jahre 1895.

Die Umgestaltung zur königlichen Residenz

Auch wenn Friedrich III. seine Erhebung zum König erst seit 1696 systematisch betrieb, dürfte schon bei der Planung der Brücke der Gedanke mitgeschwungen haben, seine Hauptstadt repräsentativer, eines höherrangigen Fürsten würdig zu gestalten. Nicht umsonst ließ er anlässlich der Grundsteinlegung prachtvolle Medaillen anfertigen, wie man sie als Geschenk zum „Guten Neuen Jahr“ an befreundete Königshöfe in ganz Europa verschickte.

Die Kurfürstenbrücke von 1895.

Die Kurfürstenbrücke

Bereits bei der Planung wurde das mittlere Brückenjoch der langen Brücke stromaufwärts verlängert, so dass Platz für die Errichtung einer Statue geschaffen wurde. Diese ist, wenn man ganz genau hinsieht, auch auf der Medaille zu erkennen. Gewidmet wurde das Standbild dem Großen Kurfürst. Der Sieger in der Schlacht von Fehrbellin galt Friedrich III. als die einzig passende Identifikationsfigur.
Diese Statue wurde beibehalten, als man die Brücke Friedrichs III. in den Jahren 1895/6 durch einen Neubau ersetzte. Der alte Bau war dem Verkehr des ausgehenden 19. Jahrhunderts nicht mehr gewachsen gewesen. Und diese (relativ) neue Brücke war es, die gegen Ende der Schlacht von Berlin von der deutschen Wehrmacht gesprengt wurde.

Sie wurde nicht rekonstruiert, was mancher Berliner Bürger bedauern mag. Aber wie ein Blick auf die unter der Brücke vorbeiziehenden Spree belehrt: Panta Rhei, alles ist im Fluss, alles ändert sich. Nun steht die sechste Brücke am historischen Ort, und nur bildliche Zeugnisse wie diese Medaille erinnern an ihre Vorgängerbauten.