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Colossus Mercurio – oder Hamburg und das Elbprivileg

17. September 2016


Karte der Elbmündung 1721 von Samuel Gottlieb Zimmermann und Otto Hasenbanck. Quelle: Wikipedia.

Die Stadt Hamburg hatte ein Problem. Alle Schiffe, die ihren Hafen benutzen wollten und zu diesem Zweck elbaufwärts fuhren, passierten Gebiete, auf die der dänische König Anspruch erhob. Der war nämlich nicht nur Herrscher von Dänemark, sondern als Herzog von Schleswig und Holstein auch die stärkste Kraft im niedersächsischen Reichskreis.

Als nun Christian IV. 1588 die Macht in Dänemark übernahm, sah er in Norddeutschland die besten Möglichkeiten für eine Expansion. Die Glaubenskämpfe des 30jährigen Krieges boten ihm die Chance, seinen Einfluss auf Kosten der kaiserlichen Zentralmacht zu vergrößern: Er setzte 1625 seine Wahl zum Obersten des Niedersächsischen Reichskreises durch. Christian fühlte sich natürlich nicht dem Reich verpflichtet, sondern seiner eigenen Sache, die er als Anliegen der Protestanten verkaufte. Sein Heer finanzierte die Haager Allianz, also die beiden (protestantischen) Handelsnationen England und die Niederlande.

Ziel war es, die großen Handels- und Hafenstädte im Norden unter dänische (resp. protestantische) Kontrolle zu bringen. Verden und Nienburg waren die ersten Opfer. Ihre Eroberung veranlasste den Kaiser, seine beiden Feldherrn Tilly und Wallenstein mit großen Heeren in den Norden zu schicken. Christians Streitmacht wurde bei Lutter geschlagen. So musste der dänische König 1629 den Frieden von Lübeck unterzeichnen. Damit schied er erst einmal aus dem Krieg aus.

Matthäus Merian, Stadtplan von Hamburg, vor 1653. Quelle: Wikipedia.

Hamburg hatte kurz vor dem Friedensschluss seine eigene Belohnung erhalten, um die protestantische Stadt an den katholischen Kaiser zu binden. Am 3. Juni 1628 erließ Ferdinand II. das große Elbprivileg. Darin räumte er der Stadt – trotz aller Ansprüche des dänischen Königs – die volle Souveränität über die Niederelbe ein. Das war für die Stadt, die darauf angewiesen war, dass Handelsschiffe diesen Zubringer vom Meer kostengünstig befahren konnten, der beste Grund, reichstreu zu bleiben. Christian IV. dagegen musste mit diesem Privileg einen Eingriff in seine Rechte als Herzog von Holstein hinnehmen. Natürlich ließ er sich das auf Dauer nicht gefallen. Er versuchte, ein Anrecht auf einen Zoll durchzusetzen, der es ihm erlaubte, einen Teil der Hamburger Einkünfte abzuschöpfen. 1633 – Axel Oxenstierna hatte die Protestanten gerade schlagkräftig im Heilbronner Bund vereint – gestattete der Kaiser dem Dänen einen Elbzoll auf vier Jahre. Am 6. Januar 1636 – die protestantischen Reichsstände waren nach dem Prager Frieden wieder auf der Seite des Kaisers – verweigerte Ferdinand II. die Verlängerung des Zollvertrags. Hamburg war damit im vollen Besitz des Elbprivilegs und des Zugangs zum freien Meer.


 Auktion 282 - Losnummer 4769: Hamburg. Silberne Medaille 1636 von Sebastian Dadler, auf den Friedenswunsch. 79 mm; 127,11 g. Gaed. 1553. Maué 39. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 20.000 Euro.

Damit, so dachte man in Hamburg, sei der Streit endgültig beigelegt. Um diesen Sieg zu feiern gab die Stadt bei Sebastian Dadler eine Medaille in Auftrag. Programmatisch wiederholt sie auf der Rückseite die Inschrift, die heute noch auf dem Portal des Hamburger Rathauses angebracht ist: LIBERTATEM QVAM PEPERERE MAIORES STUDEAT SERVARE POSTERITAS (= Die Freiheit, die die Alten errungen, möge die Nachwelt erhalten.).

Die Vorderseite zeigte ein Bild, das bis dahin in ähnlicher Form nur in der Emblematik verwendet worden war: Ein Koloss breitet seine Beine als Einfahrt in den Hafen von Hamburg. Bisher hatte man dieses Bild mit dem Motto „Nur das Große gefällt“ verbunden. Nun nutzte Dadler das Motiv, um so die Größe Hamburgs zum Ausdruck zu bringen, die – so der Vergleich – mit der antiken Hafenstadt Rhodos mithalten könne. Doch während der Koloss von Rhodos ein Bild des Gottes Helios war, tritt uns hier eine hanseatische Variante entgegen: Merkur als Inkarnation des Handels mit Flügelhelm, Flügelschuhen, Schlangenstab und einem Olivenzweig als Zeichen des Friedens. Um nur sicher keine Verwechslung aufkommen zu lassen, trägt der Gott einen Schild um den Hals mit dem Wappen der Stadt. Links und Rechts symbolisierten Füllhörner die Reichtümer des Landes und des Meeres. 

Hinter ihm sind zwei Frauen zu sehen: Eine auf dem Land stehend, einen Spaten haltend, zwischen Warenbündeln und Fässern; die andere auf einem Kahn, den ein Erdball ziert, über die Elbe hinausfahrend in die Welt. Im Hintergrund findet sich ein Hafen, beschützt von einer Burg sowie ein Schiff unter vollen Segeln.

Bemerkenswert ist die Rückseite der Medaille. Hier griff Dadler auf eine Karte zurück, die erst einige Jahre später, nämlich 1644, publiziert wurde. Dadler hatte wohl die ersten Entwürfe dieses Wunderwerks gesehen. Er setzte die Karte so genau um, dass Gerd Hatz 1989 auf Grund von Details nachweisen konnte, dass ein Stich des Arnt Pitersen, der 1944 publiziert wurde, das Vorbild sein muss.

1636 war sich Hamburg einer rosigen Zukunft gewiss. Das Elbprivileg war gewonnen, bald würden die Einkünfte fließen. Doch es dauerte noch mehr als ein Jahrhundert, bis der Streit um Hamburgs Unabhängigkeit von Holstein, der sich immer wieder am Elbzoll entzündete, beigelegt wurde. Erst mit dem Gottorper Vergleich von 1768 erkannte Dänemark auch offiziell die Reichsunmittelbarkeit der Hansestadt an.