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Bernhard Terletzki - Porträt eines Münzsammlers

19. May 2017 21:52


Bernhard Terletzki, der nach dem Willen seiner Mutter 1932 in Hamburg geboren wurde (er sollte ein waschechter Hamburger werden), hat seine Wurzeln in der kleinen Stadt Wartenburg im Landkreis Allenstein, die heute Barczewo heißt und im südlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens liegt. Er war erst 12 Jahre alt, als er am Ende des 2. Weltkrieges mit der schwer erkrankten Mutter und zwei jüngeren Geschwistern die geliebte Heimat Ostpreußen verlassen musste. Die Familie fand in Schleswig-Holstein eine neue Bleibe. In dieser für die meisten Deutschen entbeh-rungsreichen Zeit musste der junge Bernhard bereits viel Verantwortung übernehmen; der Vater konnte erst später zu seiner Familie zurückkehren. Nach dem Besuch des Gymnasiums machte Bernhard Terletzki zunächst eine Formerlehre, um anschließend das Studium zum Gießerei-Ingenieur aufzunehmen. Dieser berufliche Werdegang führte ihn ins Ruhrgebiet.

Es verwundert nicht, daß er bereits während der Ausbildungszeit mit dem Sammeln von Münzen begann, denn so ließen sich auf ideale Weise seine vielseitigen Interessen und Begabungen verbinden. Bernhard Terletzki beschäftigte sich ausgiebig mit Metallen und ihren Legierungen, mit Handwerk, Technik und Kalligrafie. Sein besonderes Interesse lag allerdings im historischen Bereich, wo ihn die deutsche Geschichte im Allgemeinen und die ostpreußische im Speziellen interessierte: Seine Heimat war 1945 geteilt worden; der Norden Ostpreußens ist heute als Distrikt Kaliningrad ein Teil von Rußland mit knapp einer Million Einwohnern, der Süden gehört nun zu Polen. Wartenburg, Terletzkis Herkunftsort, und das umliegende Gebiet hatte seit 1254 dem Bistum Ermland angehört und war zwischen 1466 und 1772 königlich-polnisches Territorium. Mit der ersten Teilung Polens 1772 ging es in preußischen Besitz über und blieb deutsch bis zur Auflösung Preußens 1945.

Die wechselvolle Geschichte der eigenen Heimat war sicher einer der Beweggründe für Bernhard Terletzki, mit dem Sammeln von Münzen zu beginnen und im Laufe seines Lebens eine umfangreiche Universalsammlung von der Antike bis zur Gegenwart aufzubauen. Verdiente er in der Ausbildungszeit anfangs monatlich 5 DM, eröffnete ihm die Tätigkeit als leitender Ingenieur gepaart mit Fleiß, Disziplin und Sparsamkeit auf anderen Gebieten die Möglichkeit, sich intensiv dem gewählten Lebenswerk zu widmen. Anhand von sorgfältig ausgesuchten Stücken in guter Qualität ist von Bernhard Terletzki eine Sammlung geschaffen worden, die rund 2.500 Jahre Geldgeschichte widerspiegelt und im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte „begreifbar“ macht. 

Die Sammlung von Bernhard Terletzki ist ein gutes Beispiel dafür, wie Münzen das Interesse an Geschichte und Kultur wecken und ein besonderes Verständnis von historischen Zusammenhängen ermöglichen können. Münzen als frühere Zahlungsmittel sind auch heute noch in größeren Stückzahlen im Markt vorhanden; man kann daher auch mit bescheidenen finanziellen Mitteln eine kulturhistorisch interessante und bedeutende Sammlung aufbauen. Dem Sammeln von Münzen kommt daher eine wichtige Funktion in der Auseinandersetzung mit dem eigenen historischen Erbe sowie der Beschäftigung mit anderen Kulturen zu. Diesen Aspekt hat das neue Kulturgutschutzgesetz, das in Deutschland 2016 verabschiedet wurde, sträflich vernachlässigt. Die Errichtung neuer nationaler Schranken, sogar innerhalb der Europäischen Union, sind ein schwerer Rückschlag für den so wertvollen Kulturaustausch zwischen den Völkern. 

Für Bernhard Terletzki war es außerdem wichtig, sich mit den zum Teil komplexen historischen und numismatischen Fragen seiner Sammelgebiete auseinanderzusetzen. Er war daher als Mitglied der Deutschen Numismatischen Gesellschaft mit seinem Heimatverein, dem Verein der Münzfreunde für Westfalen und Nachbargebiete, eng verbunden. Der langjährige Vorsitzende dieses Vereins, der weltweit bekannte Numismatiker Prof. Peter Berghaus, hat viele Wissenschaftler zu den legendären Nordwestdeutschen Münzsammlertreffen eingeladen, die jedes Jahr Ende Mai in Minden stattfanden. Diese Begegnungen hat die numismatische Welt zusammengeführt, wovon auch Bernhard Terletzki sowohl als Zuhörer als auch als Referent profitierte.

Die Begegnung mit zahlreichen Wissenschaftlern hat Terletzki in den letzten Lebensjahren animiert, selber eine Abhandlung zur Münzgeschichte zu verfassen, die er aber nicht vollenden konnte. Der Wunsch, die von ihm zusammengetragenen Objekte in den historischen Kontext auch optisch einzugliedern, zeigt sich daran, wie er selber mit Sorgfalt und Akribie Münztabletts schreinerte und mit kunstvoll gezeichneten Landkarten versah. 

Bernhard Terletzki hat gute Kontakte zu mehreren Münzhandlungen gepflegt. Die Verbindung zum Hause Künker bestand seit über 40 Jahren. Wir danken seiner Familie, die nun seinen Wunsch erfüllt und unserer Firma die Sammlung zur Versteigerung übergeben hat. 

Die einzelnen Objekte wurden mit dem Vermerk ‚Exemplare der Sammlung Bernhard Terletzki‘ versehen. So kann sich die heutige Sammlergeneration beim Aufbau der eigenen Sammlung inspirieren lassen. Verständlicherweise wollte Bernhard Terletzki seine Schätze zu Lebzeiten nicht aus der Hand geben. Es ist aber ganz in seinem Sinne, wenn die zukünftigen Eigentümer die gleiche Freude damit haben, wie er selber. Habent nummi fata sua – Münzen haben ihr eigenes Schicksal. 

Osnabrück, im April 2017
Fritz Rudolf Künker