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Zwischen Krieg und Frieden: Die rumänischen Gedenkmünzen von 1939

06. September 2017 11:05


Am 3. Juni 1939 befahl König Karl II. von Rumänien in seinem Edikt Nr. 2301, anlässlich des 100. Geburtstages von Karl I., Gründer des rumänischen Königshauses, eine Emission von sechs Gedenkmünzen in Gold zu prägen. Es handelte sich dabei um die ersten Goldmünzen, die jemals im Königreich Rumänien selbst hergestellt wurden. Dabei hätte man wirklich meinen können, dass Karl II. zu diesem Zeitpunkt etwas anderes zu tun gehabt hätte, als über Gedenkmünzen nachzudenken...

Karl II. und sein Sohn Michael inspizieren am 10. Mai 1939, dem rumänischen Nationalfeiertag, die Truppen.

Denn Rumänien stand kurz vor einer deutschen Invasion. Es ging um das Öl. Deutschland brauchte diesen Rohstoff dringend für seinen großen Krieg. Und Rumänien saß auf gewaltigen Erdölvorkommen. Das war ein Pfund, mit dem König Karl II. wuchern konnte. Er versuchte ein raffiniertes Doppelspiel. Noch im November 1938 reiste er persönlich erst nach London, dann nach Deutschland, um sowohl Chamberlain als auch Hitler seine persönliche Treue zu versprechen. Karl verhandelte hart und zwang Deutschland, einen Handelsvertrag zu unterzeichnen, der Hitler Öl versprach, allerdings zu wenig und zu einem hohen Preis.

Der junge Karl II. als Kronprinz.

 

So viel diplomatisches Geschick hätte noch 10 Jahre zuvor niemand dem leichtlebigen Playboy-Prinzen zugetraut. Playboy-Prinz, so nannte die Skandal-Presse Karl II. Und das zu recht. Der rumänische Kronprinz lieferte ihnen eine Schlagzeile nach der anderen: Mit 24 desertierte er: Er verließ kurz nach Ausbruch des 1. Weltkriegs das französische Heer, um eine Bürgerliche zu heiraten. Nicht nur seine Eltern waren darüber entsetzt. Kaum war das Entsetzen abgeflaut und die Scheidung neun Monate später ausgesprochen, gab es eine Traumhochzeit mit der schönen Prinzessin Helene von Griechenland und Dänemark. Die war dem Playboy-Prinzen ein bisschen zu langweilig. Bald trieb er sich wieder mit Bürgerlichen herum, bis Helene es satt hatte und sich 1928 scheiden ließ. Zu diesem Zeitpunkt lebte Karl bereits mit Magda Lupescu zusammen. Sie war die Tochter eines jüdischen Apothekers, die sich vor allem durch ihre Vorliebe für teure französische Kleidung ausgezeichnet haben soll.

Ein Playboy-Prinz also, weswegen man es Karl II. nahelegte, auf den Thron zu verzichten. Karl II. tat dies, zugunsten seines vierjährigen Sohnes. Und 1930 tauschte das Parlament den inzwischen achtjährigen König Michael gegen den über die Jahre anscheinend etwas vernünftiger gewordenen Karl aus.

König Karl II. schwört am 8. Juni 1930 seinen Eid vor dem rumänischen Parlament.

 

Und der machte, wie gesagt, als König gar keine so schlechte Figur. Sein Ziel war es, die politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit Rumäniens zu bewahren. Keine leichte Aufgabe in den 30er Jahren.

Karl betrieb eine Schaukelpolitik und spielte Deutschland gegen Frankreich und Großbritannien aus. Doch der Druck von Deutschland wurde stärker. Geisel war das ehemals ungarische Transsylvanien, das mit dem Vertrag von Trianon an Rumänien gefallen war. Ungarn war stramm faschistisch und hoffte auf deutsche Unterstützung in dieser Frage. Göring war bereit, Transsylvanien in die Waagschale zu werfen, als er bereits im Februar des Jahres 1939 versuchte, den erst im November 1938 abgeschlossenen Öl-Vertrag zu revidieren.

Rumänien, so der deutsche Vorschlag, solle seine Ölindustrie vollständig verstaatlichen. Die staatliche Ölkompanie solle gemeinsam von Rumänien und Deutschland kontrolliert werden, wobei Rumänien sein Öl ausschließlich an Deutschland verkaufen dürfe. Wirtschaftlich wäre Rumänien damit von Deutschland abhängig geworden. Das lag nicht in Karls Interesse, aber wie sollte er ablehnen, ohne Deutschland zu verärgern?

Was folgte, ist als die Affäre Tilia in die Geschichte eingegangen. Ob sie von Karl II. initiiert wurde, bleibt sein Geheimnis. Dem rumänischen Botschafter Viorel Tilia gelang es jedenfalls, den britischen Premierminister Chamberlain davon zu überzeugen, dass die Deutschen kurz davor wären, in Rumänien einzumarschieren. Chamberlain reagierte. Er leistete vor dem Parlament eine Garantie für die Unabhängigkeit Rumäniens und veranlasste seinen französischen Kollegen Daladier, dasselbe für Frankreich zu tun. Karl nahm die Garantie sofort an, weigerte sich aber, seine Streitkräfte unter den Befehl der Alliierten zu stellen. Seine Idee war es wohl immer noch, Rumänien aus dem großen Krieg, der da kommen sollte, herauszuhalten.

 

Aus Künker Auktion 298 (28. September 2017), Losnummer 4440: Karl II. 100 Lei 1939 auf den 100. Geburtstag von Karl I. Aus Sammlung Phoibos. Sehr selten. Vorzüglich. Taxe: 15.000,- Euro.

 

Und in dieser Zeit der Unsicherheit erließ Karl II. sein Edikt, den 100. Geburtstag des Dynastiegründers durch eine Emission von sechs verschiedenen Goldmünzen zu feiern. Beide Varianten des seltenen 100 Lei-Stücks werden in der kommenden Künker-Auktion 298 vom 28. September 2017 angeboten. Wüsste man nicht, aus welchem Anlass diese Münzen geprägt wurden, man käme nie auf die Idee, dass sie etwas mit Karl I. zu tun haben könnten.

Auf der Vorderseite ist Karl II. abgebildet mit der Umschrift Karl II. König der Rumänen. Die Rückseite zeigt das Wappen des Königreichs Rumänien auf einem Lilienkreuz.

 

Aus Künker Auktion 298 (28. September 2017), Losnummer 4441: Karl II. 100 Lei 1939 auf den 100. Geburtstag von Karl I. Aus Sammlung Phoibos. Sehr selten. Vorzüglich. Taxe: 20.000,- Euro.

 

Die zweite Variante hat genauso wenig mit Karl I. zu tun, ist aber etwas kriegerischer. Auf ihr behütet der Erzengel Michael, Sieger über die Mächte der Hölle, das Wappen des Königreichs. Man könnte diese Darstellung dahingehend deuten, dass Karl II., der sich selbst gerne als Gott gesandten Herrscher Rumäniens inszenierte, damit den himmlischen Schutz für sich in Anspruch nehmen wollte.

 

Aus Künker Auktion 298 (28. September 2017), Losnummer 4436: Karl I. 50 Lei 1906, Brüssel, auf das Jubiläum 40 Jahre Regierung von Karl I. Aus Sammlung Phoibos. Vorzüglich. Taxe: 1.000,- Euro. 

 

Einzig, die in vergoldeter Bronze ausgegebenen „Galbenul“ (= Gelbe), zeigen einen äußert fernen Anklang an die Goldmünzen, die Karl I. anlässlich seines Jubiläums 40 Jahre Regierung 1906 prägen ließ. Karl II. greift die Pose als Herrscher mit Feldherrnstab hoch zu Ross auf, in der sich Karl I. hatte darstellen lassen.

 

Aus Künker Auktion 298 (28. September 2017), Losnummer 4443: Karl II. 12 Dukaten 1940, Bukarest, auf das Jubiläum 10 Jahre Regierung. Aus Sammlung Phoibos. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 7.500,- Euro.

 

Diese Darstellung übernahm Karl II. auch für seine im Juni 1940 ausgegebenen Münzen, mit denen er 10 Jahre Regierung feierte. Wobei auch der Juni 1940 nicht gerade ein optimaler Zeitpunkt war, um sich mit Gedenkmünzen zu beschäftigen. Man darf sich fragen, zu welchem Zweck und für welche Zielgruppe diese heute äußerst seltenen Goldmünzen geprägt wurden.

Vielleicht hoffte Karl II., sich die Unterstützung der politischen und wirtschaftlichen Oberschicht Rumäniens zu sichern, indem er die prachtvollen Goldmünzen als Geschenke unter ihnen verteilte. Der Anlass dafür – 100. Geburtstag des Dynastiegründers, 10. Regierungsjubiläum – war austauschbar. Karl warb eben um Unterstützung für seine Person und seine Schaukelpolitik und inszenierte sich dabei als alternativlosen Retter Rumäniens.

Dies wird auf der Rückseite des 12 Dukaten-Stücks von 1940 besonders deutlich. Sie zeigt den König als einfachen Soldaten, aber immerhin als Mitglied der damals renommiertesten Waffengattung, der Flieger. Nach einer Bruchlandung, die in den Wäldern Siebenbürgens tatsächlich stattgefunden haben soll, reicht ihm eine einfache Bäuerin, die in die rumänische Überlieferung als Modura eingegangen ist, einen Krug mit Wasser.

 

Aus Künker Auktion 298 (28. September 2017), Losnummer 4444: Karl II. 100 Lei 1940, Bukarest, auf das Jubiläum 10 Jahre Regierung. Aus Sammlung Phoibos. Sehr selten. Vorzüglich. Taxe: 6.000,- Euro. 

 

Noch klarer ist die Aussage dieser Goldmünze zu 100 Lei, auf deren Rückseite die rumänische Krone von einer Dornenkrone umgeben ist. Karl will damit illustrieren, welch schreckliche Opfer der König bereit war, für sein Land zu bringen. Die Darstellung rückt Karl in die Nähe des gekreuzigten Christus, ein hoher Anspruch, dem er nicht ganz gerecht werden konnte.

Am 26. Juni 1940, zwei Wochen nach seinem Regierungsjubiläum, stellte ihm nämlich die Sowjetunion ein Ultimatum: Bessarabien und die Bukovina gegen die Unversehrtheit von Restrumänien. Karl hatte sich zu einem Gottgleichen Herrscher stilisiert. Ein Verzicht auf diese beiden Gebiete kam nicht in Frage. Er kündigte die britisch-französischen Garantien und bat um ein Bündnis mit Hitler. Außerdem unterzeichnete er am 8. August 1940 ein Handelsabkommen, das Deutschland Zugriff auf das dringend benötigte rumänische Öl gab.

Doch Hitler mochte Karl II. nicht. Er hatte die Korrespondenz Karls mit Deutschlands Feinden gelesen. So zwang er Karl, die Forderungen der Sowjetunion zu erfüllen und noch einige andere Gebiete zurückzugeben, die erst seit dem 1. Weltkrieg zu Rumänien gehört hatten.

Das war zu viel. Karl II. hatte in Rumänien jegliche Autorität verspielt. Um seinem Land einen Krieg zu ersparen, unterzeichnete er und ging ins Exil. Seinem Sohn Michael hinterließ er die praktisch unlösbare Aufgabe, Rumänien durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs zu steuern.