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Wie Malta unter die britische Flagge kam

25. February 2015 11:00


Wie Malta unter die britische Flagge kam

Am Donnerstag, den 12. März 2015, versteigert das Auktionshaus Künker ein überaus seltenes Zeugnis aus Maltas Geschichte. Der kleine Silberbarren im Gewicht von 30 Tari aus dem Jahr 1800 ist das letzte Zahlungsmittel, das auf Malta geprägt wurde.

 

Malta unter französischer Besatzung, 1798-1800. Silberbarren zu 30 Tari 1800, Valletta. Malteserkreuz, zu beiden Seiten die geteilte Signatur R-F (= République française), oben Wertangabe T(ari) – 30, unten Jahreszahl 1800. Mit Gegenstempel auf Rückseite: Phrygische Kappe. Restelli Tf. XC, Nr. 2 (dieses Exemplar). 

Aus Auktion Künker 261 (11./12. März 2015). Schätzung: 75.000 Euro.
 

Am 9. Juni 1798 ankerte die französische Flotte vor Malta. Sie war eigentlich auf ihrem Weg nach Ägypten. Aber wenn man schon vor Ort war, warum sollte ein Kommandant wie Napoleon Bonaparte nicht auch gleich Malta erobern? Er tat dies, ohne einen einzigen Schuss abgeben zu müssen. Die französischen Malteserritter waren zu ihm übergelaufen. Und so ging der letzte Großmeister des Ordens mit nur 16 Rittern ins Exil. Die Franzosen übernahmen die Regierung und führten sofort die Errungenschaften der französischen Revolution ein.

Dazu gehörte natürlich die Enteignung der Adligen und der kirchlichen Institutionen, deren Erträge dazu benutzt wurden, um Napoleons ägyptischen Feldzug zu finanzieren. Die Malteser waren vor allem von letzterem nicht begeistert. Dazu kam der Handel mit dem wichtigsten Exportprodukt Maltas, der Baumwolle, zum Erliegen. Die Baumwolle war vor allem nach England geliefert worden, und mit dem befand man sich nun im Krieg. Die Malteser begriffen allmählich, was eine französische Herrschaft bedeutete.

Sie waren nicht bereit, sich damit abzufinden. Es kam zum Aufstand. Für den 2. September 1798 war in Mdina eine Auktion von Kirchengut angekündigt. Neben den potentiellen Bietern hatten sich viele Malteser versammelt, die gegen das Verschachern von kirchlichem Besitz protestierten. Ein zwölfjähriger Junge soll den ersten Stein geworfen haben. Doch das kann eine lokale Legende sein. Wie auch immer, innerhalb weniger Tage hatten Tausende von Maltesern die kleine französische Garnison nach Valletta zurückgedrängt.

Valletta verfügte dank der Ordensritter über starke Befestigungsanlagen. Dem gegenüber besaßen die Belagerer lediglich 23 Kanonen, um die starken Mauern Vallettas zu stürmen. Die Aufständischen begriffen schnell, dass sie Hilfe brauchten. Die kam von den Briten. Doch ein schneller Erfolg stellte sich nicht ein. Dies könnte unter anderem auch daran gelegen haben, dass der englische Admiral Lord Horatio Nelson keine Lust hatte, sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern. Er ließ sich viel lieber im Königreich beider Sizilien von der bezaubernden Lady Hamilton pflegen.

Nelson schickte seinen Adjutanten Alexander Ball, einen integren und geschickten Vertreter britischer Interessen. Der sah sich nicht nur mit einer schwierigen militärischen Situation konfrontiert, sondern auch mit einem fast unlösbaren diplomatischen Konflikt: Der Lehnsherr der geflohenen Ordensritter war nämlich der König von Neapel. Und der war ein Verbündeter Englands. Selbst wenn also die französische Besatzung aus Valletta vertrieben werden konnte, war noch nicht klar, wer danach über die Insel herrschen sollte. Während die Malteser gerne unter die britische Herrschaft gekommen wären, hegte Lord Nelson andere Prioritäten oder wie er an Ball schrieb: „Unter Beachtung der Situation Maltas und des Königs von Neapel: es ist so, er ist der legitime Herrscher der Insel, deshalb sollte meiner Meinung nach seine Flagge wehen.“

Da war es durchaus von Nutzen, dass sich die Belagerung Vallettas hinzog. Ein numismatisches Zeugnis dieser Zeit ist ein Silberbarren im Gewicht von 30 Tari, der von den Franzosen als Belagerungsgeld hergestellt wurde. Silbervorräte gab es genug in der Festung. Schließlich hatte man die Kirchenschätze geplündert. So konnte der französische Münzmeister Joseph Lebrun mehrere Tausend Belagerungsmünzen in den Jahren 1799 und 1800 prägen. Überlebt haben davon nur eine Handvoll. Und lediglich 5 Exemplare kennen wir mit der Jahreszahl 1800.

Dass man zumindest 1799 mit Geld noch Nahrung in Valletta kaufen konnte, wissen wir, weil wir einige Preise aus dieser Zeit kennen. So zahlte man 16 Francs für ein Suppenhuhn, 12 Francs für einen Hasen, 20 Sous für ein Ei und 40 Sous für eine Ratte.

Am 23. April 1800 besuchte Nelson dann übrigens doch noch das Schlachtfeld. Mit seiner geliebten Lady Hamilton an Bord. Man hielt in Syrakus, fuhr weiter nach Valletta und geriet dort – oh, Überraschung – unter feindlichen Beschuss. Nelson segelte umgehend zurück, gegen den ausdrücklichen Befehl des Vorgesetzten.

So ließ die endgültige Kapitulation der Franzosen noch bis zum 3. September 1800 warten. Grund dafür war nicht etwa ein militärisches Ereignis, sondern die schlichte Tatsache, dass alle Ratten, Hunde und Katzen der Stadt aufgegessen waren und täglich rund 100 Menschen vor Hunger starben.

Die Briten verhandelten dabei direkt mit den Franzosen, ohne die Malteser zu beteiligen. Sie erwarben mit der französischen Kapitulation die Herrschaft über die Insel und damit die Kontrolle über einen großen Teil des Mittelmeers, was bereits 1801 zur Rückeroberung Ägyptens führte. Der Wiener Kongress bestätigte den Anspruch der Briten auf Malta.

Damit besaß Großbritannien eine weitere Kolonie. Erst 1964 wurden die Malteser nach einer Volksabstimmung unabhängig. Und noch heute begegnet man auf der Insel ständig britischem Erbe. Und sei es nur, wenn sich der Kontinentaleuropäer mit den Tücken des Linksverkehrs auseinandersetzen muss.

Admiral Alexander John Ball (1757-1809), 
Gemälde von Henry William Pickersgill / Wikipedia.