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Von Weiden, Palmen und Zedern – Eine kleine numismatische Dendrologie

06. June 2016 09:13


Im Jahr 1627 übernahm Wilhelm V. von Hessen-Kassel die Herrschaft. Sein Vater Moritz hatte sich mehr für Bücher als für die Wirtschaft interessiert und so das Land ruiniert. Der neue Landgraf stand vor einer erdrückenden Schuldenlast, und das zu einem Zeitpunkt, zu dem ein feindliches Heer einen großen Teil seines Gebietes besetzt hielt. Wilhelm sah sich mit einer nicht enden wollenden Fülle von Problemen konfrontiert, die er Stück für Stück zu lösen beabsichtigte, nicht mit Gewalt, sondern mit Verstand und Verhandlungen. Und genau diese Situation beschreibt das Emblem auf der Rückseite seiner Münzen, ein sich im Sturme biegender Weidenbaum. Wir kennen diese Weidenbaumprägungen in vielen Nominalen: Als Taler, Mehrfachtaler und Talerteilstücke, als Dukaten, Mehrfachdukaten und Gulden. Das 10 Dukatenstück, das am 23. Juni 2016 von Künker in der Auktion 279 angeboten wird, war bisher wohl unediert. Es ist kein weiteres Exemplar in Privatbesitz bekannt. Diese Darstellung war dem Landgraf von Hessen also sehr wichtig. Sie steht für seine Interpretation der Situation. Es handelt sich um ein Emblem, wie sie in der frühen Neuzeit sehr beliebt waren, um eine persönliche Geisteshaltung zu beschreiben.

 

Emblem: Siege durch Nachgeben.

Unter einem Emblem verstand man in der frühen Neuzeit eine Art Bilderrätsel, die nur der gebildete Mann auflösen konnte. Motto und Bild gehörten immer mit einem deutenden Gedicht zusammen, wobei das Gedicht meistens aus Platzmangel wegfiel, so dass der Betrachter all sein Wissen aufwenden musste, um eine Darstellung zu deuten. Ein gebildeter Zeitgenosse Wilhelms hätte sich bei der Darstellung sofort an ein Emblem erinnert, das unter dem Motto „Siege durch Nachgeben“ in dem Buch von Adrian de Jonge aus dem Jahr 1565 veröffentlicht worden war. Dort zeigt ein Bild einen vom Sturm zerbrochenen Baum, während das unbedeutende Röhricht daneben sich biegt und so dem Wind Widerstand leistet. Die Erklärung dazu ist in lateinischer Sprache verfasst und lautet in Übersetzung: „Die Gewalt des Boreas wirft im furchtbaren Wirbel die sich entgegenstemmenden Eichen nieder; das Schilfrohr dagegen steht ungebrochen und verachtet ihn. Der geduldige Sinn siegt, indem er dem Wüten ausweicht.“ 

Künker Auktion 279, Los 3210: Hessen-Kassel. Wilhelm V., 1627-1637. 10 Dukaten 1634, Kassel. Geprägt mit den Stempeln des Doppeltalers. „Weidenbaumprägung“. Wohl unediert. Vermutlich einziges Exemplar in Privatbesitz. Vorzüglich. Schätzung: 200.000 Euro. 

Wilhelm hatte dieses Emblem nicht einfach übernommen, sondern für seine Zwecke abgeändert. Er war ein gläubiger Kalvinist und so spielte der Name Gottes eine entscheidende Rolle – in Bild und Text. Wir sehen einen Weidenbaum, der hart vom Sturm bedrängt wird, den Gottes Name aber schützt und berührt. Mit Gottes Willen werde ich Niedriger erhöht werden, ist als Motto zu lesen. Der gläubige Kalvinist erhofft sich also durch Gottes Hilfe die Kraft, sich zu beugen und so dem Ungemach Stand zu halten.

Es ist gelegentlich behauptet worden, dass der Stempelschneider sich nicht mit Palmen ausgekannt habe, und deshalb eine Weide statt eines Palmbaums geschaffen habe. Nichts könnte der Realität ferner sein. Jeder Künstler hatte seine Lexika, seine Musterbücher, die er konsultierte, wenn er ein neues Münzbild
gestalten musste. Wenn ihm nicht sowieso ein gebildeter Auftraggeber diese Arbeit abnahm. Münzbilder waren Chefsache. Hier zeigte sich die Bildung des Fürsten. Und Wilhelm V. war hochgebildet. Er war ein Mitglied der fruchtbringenden Gesellschaft, der ersten deutschen Gelehrten-Akademie nach italienischem Muster, der zahlreiche Adlige angehörten. 

 

Gesellschaftsschild der Fruchtbringenden Gesellschaft. Quelle: Wikipedia.

Das Gesellschaftsschild der Fruchtbringenden Gesellschaft, die sich auch Palmenorden nannte, ist ein klassisches Beispiel für ein Emblem. Das Motto lautet: Alles zu Nutzen. Abgebildet ist eine Kokospalme, die auch heute noch dafür bekannt ist, dass man jeden ihrer Teile verwenden kann. Das Sinngedicht dazu lautet: Der Name Fruchtbringend darum, damit ein jeder, der sich hinein begibt oder zu begeben gewillt ist, äußerst bemüht sein soll, .. Früchte zu tragen.“ Die Kokospalme wollte den Wissenden also daran erinnern, dass auch er wie die Palme Früchte tragen solle.

 

Künker Auktion 278, Los 1789: Braunschweig und Lüneburg. Johann Friedrich, 1665-1679. Reichstaler 1673, Clausthal. Sehr selten. Vorzüglich. Schätzung: 5.000 Euro.

In einem ganz anderen Sinn verwendet Johann Friedrich von Braunschweig-Lüneburg nicht die Kokos-, sondern die Dattelpalme auf seinem Reichstaler aus dem Jahr 1673. Das Motto lautet „Durch die Mühsal zum Ruhm“. Die Dattelpalme steht hier für den mühsamen Weg zum süßen Erfolg. Ihr Stamm ist rau und bietet keine Äste, die ihr Erklettern leichter machen würden. Wer zu den süßen Früchten gelangen will, muss zuvor einen schwierigen Weg zurücklegen, der durch das Erklimmen des Berges noch härter wird.

 

Emblem: Sieger über die Mühsal durch Geduld.

Künker Auktion 278, Los 2228: Waldeck. Georg Heinrich, 1813-1845. Kronentaler 1824. Sehr schön bis vorzüglich. Schätzung: 400 Euro.

Einen anderen Aspekt der Palme lernen wir kennen, wenn wir uns einen Kronentaler von Georg Heinrich von Waldeck aus dem Jahr 1824 ansehen. Er zeigt auf der Rückseite eine Palme, auf deren Krone ein schweres Gewicht lastet. „Es wächst die Palme unter dem Gewicht“, so lautet das mit dieser Darstellung verbundene Motto. Gemeint ist damit, dass ein Gewicht zwar die Palme im Wachstum behindert, aber gleichzeitig durch seinen Widerstand stärker macht. Georg Heinrich kann das durchaus auf sich bezogen haben. Schließlich hatte er versucht, Waldeck und Pyrmont miteinander zu vereinigen und hatte nach erheblichem Protest der Landstände seine Entscheidung wieder rückgängig machen müssen. Dieses Münzbild kann als eine offizielle Deutung seinerseits zu verstehen sein, wie er sein Nachgeben einordnete. Er empfand sich durch den Misserfolg nicht gedemütigt, sondern sah sich am Widerstand gewachsen.

 

                                             

                                                                         

Künker Auktion 278, Los 1653: Brandenburg-Preußen. Friedrich I., 1701-1713. Silbermedaille Jahr 1 (1701) von J. Kittel. Selten. Sehr schön bis vorzüglich. Schätzung: 2.500 Euro.

Sehen wir uns noch eine letzte Medaille an, die wir mit Hilfe unseres Lexikons für Embleme leichter deuten können. Es handelt sich um eine Medaille, die Friedrich I. anlässlich seiner Krönung zum König in Preußen im Jahr 1701 prägen ließ. Darauf ist eine Zeder zu sehen, um die sein Name gruppiert ist: Friedrich, König in Preußen. Daneben findet sich eine zweite Zeder mit dem Namen des Thronfolgers: Friedrich Wilhelm I., Erbe. Unter der Zeder des Königs liest man „er baut auf“, unter der Zeder des Thronfolgers „er wartet“. Die Zeder gehört zu den Zypressengewächsen und ist seit der Antike für ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Motten und Ungeziefer bekannt. Deshalb wurde sie in der Emblematik benutzt, um einen Fürsten zu charakterisieren, der sich nicht von den Schmeicheleien der Höflinge einwickeln lässt. Es ist also durchaus als ein Versprechen Friedrichs für sich und seinen Nachfolger zu verstehen, wenn er die Zeder mit ihrer beider Namen verbindet. Die Ulme, um die sich eine Weinrebe rankt, hat eine völlig andere Bedeutung.

 

Emblem: Liebe über den Tod hinaus

Sie ist mit dem Namen der Ehefrau verbunden: Sophie Charlotte Königin. Darunter liest man „sie nimmt Anteil“. In welcher Form sie das tut, dafür steht der mit der Weinrebe umwachsene Baum. Er symbolisiert die Liebe der getreuen Ehefrau, die ihren Mann bedingungslos unterstützt, ihm liebevoll ergeben bleibt noch über den Tod hinaus.

Es ist, als müssten wir eine unbekannte Sprache neu erlernen, wenn wir uns daran machen, die alte Kunst der Emblematik wieder zu entdecken. Glücklicherweise sind uns die Wörterbücher dieser Sprache erhalten und in einer modernen Ausgabe mit ausführlichen Indices leicht zugänglich. Es lohnt sich, darin zu blättern, um Bilder zu deuten, die einem gebildeten Menschen der frühen Neuzeit leicht verständlich waren.