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Die numismatische Bibliothek von Alain Poinsignon

19. ноябрь 2021 13:50


Gedruckte Texte bilden seit dem 16. Jahrhundert bis in unsere Tage ein unabdingbares konstruktives Gerüst der Beschäftigung mit historischen Münzen und Medaillen, sei es in der wissenschaftlichen Numismatik, im Rahmen des privaten Sammelns oder in der händlerischen Tätigkeit, Felder die keineswegs strikt voneinander abzugrenzen sind, sondern fließende Übergänge aufweisen, ja voneinander abhängig sind. Ein kennzeichnendes Merkmal der heutigen numismatischen Arbeit ist die stete Notwendigkeit, auf antiquarische, teils mehrere Generationen alte Publikationen zurückgreifen zu müssen, da aktuellere zum betreffenden Themengebiet nicht existieren. Bis in unsere Tage werden wichtige numismatische Veröffentlichungen nahezu ausnahmslos in gedruckter Form herausgegeben, nur ein vergleichsweise kleiner Teil der numismatischen Literatur ist digitalisiert erschlossen. Zudem ist eine systematische Digitalisierung numismatischer Publikationen schon allein aufgrund bestehender strenger Urheberrechtsgesetze kaum zu erwarten.

Ein gedrucktes numismatisches Werk bietet auch in der Hand eines versierten Laien einen in der Regel raschen Zugriff auf das gesuchte Objekt im Katalogteil und lädt zudem zum Nachschlagen weiterer textlicher Informationen ein. - Im Gegensatz zu den Naturwissenschaften, wo sich das Wissen schnell weiterentwickelt und die neuen Erkenntnisse online von größtem Wert sind, ist die Situation in der Numismatik anders.

 

Das numismatische Buch als Sammelobjekt

„Büchlein haben ihre eigenen Schicksale“ („…habent sua fata libelli“)! Dieses Zitat bildet die zweite Hälfte von Vers 1286 der Schrift „De litteris, syllabis et metris“ des spätantiken römischen Autors Terentianus Maurus und ist in dieser Verkürzung zu einem weit verbreiteten geflügelten Wort geworden, das sich auf einige Aspekte des Büchersammelns anwenden lässt.

Zum informativen Charakter gesellt sich der Stellenwert des Buches als Sammelobjekt, in dem sich mehr als 500 Jahre Forschungs- und Kulturgeschichte widerspiegeln, einschließlich des gestalterischen Ausdruck der jeweiligen Epoche sowie des handwerklichen Könnens der Drucker und Buchbinder.

Mitunter haben Autoren einzelne Exemplare ihrer Werke mit einer eigenhändigen, mehr oder weniger persönlichen Widmung versehen und Freunden, Kollegen oder anderweitig mit ihnen in Verbindung stehenden Personen überlassen. Recht geläufig ist auch die Gewohnheit der Buchbesitzer, ihr Eigentum mit dem eigenen Namen zu kennzeichnen, sei es per Hand, mittels eines Stempels oder aber in Form eines persönlichen gedruckten Eignerzeichens (Exlibris). Unter diesen Druckschriften finden sich gelegentlich auch solche, bei denen ein Vorbesitzer per Hand inhaltliche Ergänzungen oder Korrekturen dem Text hinzugefügt hat. Diese sollten keinesfalls als Mängel, sondern als zusätzliche, oft informative Boni gewertet werden, die einen zusätzlichen Lichtschein auf die Geschichte jenes Buches werfen und zudem die Auseinandersetzung mit dessen Themenstoff widerspiegeln.

 

Die Bibliothek Alain Poinsignon

Die in mehr als 40 Jahren aufgebaute Bibliothek von Alain Poinsignon repräsentiert in ihrer Stückzahl von rund 11.000 Exemplaren einen üppigen Bestand von Monographien, Sammelbänden, Katalogen, Sonderdrucken und Zeitschriftenbänden in breiter thematischer Streuung, ein imposanter Vorrat numismatischer Informationen.

Schon ein flüchtiger Blick auf die reich bestückten Regale der Arbeitsbibliothek von Alain Poinsignon vermittelten uns den Eindruck, dass hier nicht nur der Berufsnumismatiker, sondern zugleich in persona ein Bibliophiler imposante Bestände numismatischer Literatur zu einem Ganzen vereint hat. Der gepflegte Zustand der Masse des Materials bestätigt diesen positiven Gesamteindruck. Die gute Beschaffenheit der mehrheitlichen Zahl der älteren Werke zeugt von der kritischen Aufmerksamkeit, mit der Alain Poinsignon seine Bücherschätze auswählte und der Wertschätzung, die er ihnen zukommen ließ. Zudem hat Alain Poinsignon seiner Bibliothek eine eigene Note verliehen, indem er einem nicht unerheblichen Teil seiner Monographien, Sammelwerke, Tagungs- und Zeitschriftenbände durch hochwertige und handwerklich solide Neueinbindungen ein einheitliches Erscheinungsbild verliehen hat - egal, ob es sich dabei um alte Werke oder um gerade erst erworbene Neuausgaben handelte. Dabei war er auch dabei bedacht, die ursprünglichen Deckel oder Deckblätter von Broschuren oder mitunter die Schauseiten originaler Schutzumschläge zu erhalten und mit einbinden zu lassen.

Die unterschiedlichen Einbandarten sind in unserem Katalog hinreichend beschrieben. Da wir die beiden in der Bibliothek am Häufigsten vertretenen Versionen mit den Bezeichnungen „Halbledereinband Poinsignon“ bzw. „Steifbroschur Poinsignon“ im Katalog nur stichwortartig benennen, seien sie hier im Einzelnen näher beschrieben:

Halbledereinband mit Eckbezügen, goldgeprägtem Rücken, 5 Bünden. Die Deckel außen mit königsblauem Textilstoff bezogen, die Bezüge aus gegerbter und schwarz gefärbter genarbter Tierhaut; der Rücken in Goldprägung mit dem Verfassernamen, dem Kurztitel und in der Regel auch mit dem Erscheinungsjahr ausgestattet. Die Buchdeckel dieser Version haben innen Bezüge aus Marmorpapier, oftmals von dunkelblauer Färbung oder auch mehrfarbig mit hellblauem Grundton. Der Kopf-, Vorder- und Fußschnitt des Buchblocks ist blau gesprenkelt.

In selber Fertigungsmanier begegnen auch Versionen aus rotem Leder in Kombination mit rotem Textil, rotem Vorsatz-Marmorpapier und rotem Sprenkelschnitt, die aber stets näher beschrieben sind.

Die Steifbroschur ist ausgestattet mit einem textilen Rücken und zwei festen Pappdeckeln, die außen mit meist blau-schwarzem oder rot-schwarzem Sprenkelpapier bezogen sind. Alain Poinsignon hat eine Vielzahl der Sonderdrucke und Kleinschriften mit dieser stabilen Form des Einbands ausstatten lassen, um ihnen so ein ansprechendes und zugleich strapazierfähigeres Gewand zu verschaffen.

Selbstverständlich zeigen sich in der Zusammensetzung des Gesamtvorrats auch die Präferenzen seines Besitzers. Vereint sind in dieser Arbeitsbibliothek insbesondere Publikationen vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, die dem Münzenhändler in der alltäglichen Arbeit dienlich sein können. Frühere, aus den Epochen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, denen heutzutage in der Regel eher mehr ein antiquarisch-bibliophiler Wert zuzumessen ist, sind hier nur vereinzelt, meist in Form heutiger noch nützlicher Medaillenwerke oder Ordonnanzen vorhanden. Stattliche Reihen bilden Publikationen zur Numismatik der Antike, mit einer Vielzahl von Spezialwerken zum griechischen und römischen Münzwesen und ebenfalls zu keltischen und frühmittelalterlichen Themen. Auch Byzanz ist hier in grundlegenden Arbeiten dokumentiert. Weitere Schwerpunkte bilden naturgemäß die Veröffentlichungen zum Münzwesen Frankreichs, auch mit einer ausgeprägten Hinwendung zur elsässischen und lothringischen Numismatik. Auch die Literatur zu den Nachbarstaaten, insbesondere zu den Prägeständen der deutschen und eidgenössisch-schweizerischen Gebiete ist hier evident. He vorzuheben sind auch außergewöhnlich umfangreiche Serien zu den Münzen des Orients und zur vielfältigen indischen Numismatik, auch manche Seltenheiten. Auch den sogenannten vormünzlichen Zahlungsmitteln und dem Papiergeld wird hier Rechnung getragen. Reichhaltig ist auch die Medaillenliteratur, zu der sich diverse Beiträge zu den Jetons und Rechenpfennigen hinzugesellen. Kleine Gruppen von Büchern zur Ordenskunde sowie diverse numismatische Festschriften folgen. Auktionskataloge, darunter reichhaltige Serien deutscher und französischer, vom letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie diverse Zeitschriftenreihen vervollständigen das Spektrum der Bibliothek Poinsignon.

Mit diesem Katalog versteigern wir vom 7.-9. Dezember nun den dritten und letzten Teil dieser besonderen Bibliothek. Das Angebot umfasst ausschließlich Auktionskataloge. Diesen Verzeichnissen kommt auch im Blick auf die Provenienzforschung im Rahmen des internationalen Kulturgüterschutzes eine hohe Bedeutung zu, zu denen heute genutzten Onlineportalen, die die Marktvorkommen numismatischen Materials listen, keine wirkliche Konkurrenz darstellen, da sie lediglich Versteigerungen der letzten 15-20 Jahre erfassen.
 

Osnabrück, Oktober 2020 / Oktober 2021

Detlev Hölscher

 

WICHTIGE ALLGEMEINE HINWEISE:

Alain Poinsignon ist mit den Büchern seiner Arbeitsbibliothek schonend umgegangen. Dennoch können insbesondere ältere Publikationen mehr oder weniger deutliche Gebrauchsspuren aufweisen. Zudem hat man von etwa der Mitte des 19. bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Herstellung etlicher Publikationen nicht so hochwertiges Papier benutzt, das im Lauf der Zeit nach- gebräunt ist und an Festigkeit oder Elastizität verloren haben kann. Die im Bücherbestand vorhandenen Schutzumschläge sind in unserer Beschreibung nicht erwähnt, sie sind jedoch im Internet auf unseren Fotos sichtbar