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Warum der Münchner Marienplatz Marienplatz heißt

13. январь 2022 13:38


Kurfürst Maximilian I. von Bayern führte zu Lebzeiten ein geheimnisvolles Kästchen mit sich, dessen Inhalt er niemandem zeigte. Als das Behältnis nach seinem Tod geöffnet wurde, fand man darin mehrere blutbefleckte Geißeln, eine stachlige Büßerkette und ein härenes Hemd. Der Fürst des 30-jährigen Krieges hatte sich in der Stille seiner Schlafkammer regelmäßig schmerzhaften Bußübungen unterzogen.

Könnte es ein besseres Zeugnis für die tiefe Gläubigkeit dieses Hauptakteurs des 30-jährigen Krieges geben? Auch wenn uns heute seine Frömmigkeit nicht mehr nachvollziehbar scheint. Sie bettet jedenfalls die Bemühungen, die Maximilian I. unternahm, um seine Untertanen zum "einzig wahren" Glauben zu bekehren, in ihren Zusammenhang ein.

Maximilian I. von Bayern. Stadtmuseum München. Foto: KW

Das konfessionelle Zeitalter

Maximilian lebte in einer Zeit, in der sich ein Fürst als der von Gott berufene Patriarch verstand, der die Pflicht hatte, aus einer höheren Einsicht heraus den ihm Anvertrauten das Himmelreich zu sichern. Dafür nutzte er jegliches Machtmittel, das ihm gegeben war. Allen voran natürlich sein Privileg, Gesetze zu erlassen. Wie in allen anderen Staaten zu dieser Zeit, griff auch Maximilian in das Privatleben seiner Untertanen ein, um Sünden wider kirchliche Gebote zu verhindern. Er ordnete an, dass jeder bayerische Bürger mindestens einmal im Jahr - und zwar zur Osterzeit - die Beichte ablegen und die Kommunion nehmen müsse. Um den Vollzug der Beichte nachzuweisen, erhielt er dafür einen Beichtzettel vom Beichtvater, den er dem zuständigen Pfarrer vorlegen musste. Diese Pflicht galt auch bei Auslandsaufenthalten. Jeder, der versäumte, einen Beichtzettel herbeizuschaffen, wurde bei den Behörden angezeigt, die dafür Geld- oder Gefängnisstrafen verhängten, bei hartnäckigen Wiederholungstätern sogar Landesverweis erteilen konnten.

Der Besuch des Gottesdienstes - und zwar mit der Predigt - war sowohl an Sonn- als auch an Feiertagen obligatorisch. Selbstverständlich gab es auch Gesetze gegen das Fluchen, das Spielen, das Fastenbrechen und vieles mehr. Berüchtigt sind bis heute die bayerischen Ehegesetze, die bei wiederholtem Ehebruch die Todesstrafe vorsahen - eine gesetzliche Option, die der Abschreckung gegolten haben dürfte; denn ein solches Urteil wurde nie vollstreckt.

Maximilian I. Dukat 1646, München. Fast vorzüglich. Taxe: 750 Euro. Aus Auktion Künker 359 (26. Januar 2022), Nr. 307.

Ave Maria

Maximilians besondere Frömmigkeit galt der Gottesmutter Maria. Während die protestantischen und vor allem calvinistischen Theologen den Heiligen der Kirche jegliche Macht absprachen, am Heilsgeschehen mitwirken zu können, baute die katholische Kirche Maria geradezu als Musterheilige auf. Sie galt als die große Helferin, gleichgültig ob gegen Protestanten, Türken oder Schweden.

Wenn sich also Maximilian auf Dukaten kniend vor der Gottesmutter darstellen ließ, dann meinte er das auch. Er betete zu ihr, um sich und der katholischen Sache ihre Unterstützung zu sichern. Wir wissen, dass sich der Herzog täglich mindestens drei Stunden zum Gebet zurückzog - und zwar zusätzlich zum täglichen Besuch der Messe. Dabei spielte das von ihm geförderte Rosenkranzgebet eine zentrale Rolle, die er auch bei seinen Untertanen durchsetzen wollte: Er schrieb vor, jederzeit einen Rosenkranz bei sich zu führen.

Maximilian setzte aber nicht nur auf Mandate und Vorschriften. Er förderte die Verehrung der Gottesmutter, indem er möglichst viele kleine und große Andachtsorte schuf - im kirchlichen, aber auch im säkularen Bereich. Dazu gehörte zum Beispiel die Unterstützung der großen Marienwallfahrtsorte in Bayern. Am bekanntesten dürfte Altötting sein, wo seit Maximilian I. die Herzen der bayerischen Herzöge begraben sind, und wo heute noch ein Weihebrief Maximilians an Maria aufbewahrt wird, den dieser mit seinem eigenen Blut schrieb.

Maximilian I. Reichstaler 1631, München. Fast Stempelglanz. Taxe: 600 Euro. Aus Auktion Künker 360 (1./2. Februar 2022), Nr. 1200.

Maximilian I. Doppeldukat 1618, München. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 3.000 Euro. Aus Auktion Künker 359 (26. Januar 2022), Nr. 303.

Maximilian I. 6facher Dukat 1627, München. 2. bekanntes Exemplar in Privatbesitz. Vorzüglich. Taxe: 25.000 Euro. Aus Auktion Künekr 359 (26. Januar 2022), Nr. 304.

Maximilian I. 5facher Dukat 1640, München. Fast Stempelglanz. Taxe: 10.000 Euro. Aus Auktion Künker 359 (26. Januar 2022), Nr. 305.

Himmelskönigin

Seit Maximilian I. spielt Maria in der bayerischen Münzprägung die Hauptrolle. Sie ist auf einer Vielzahl von Münzen abgebildet, und zwar immer in ähnlicher Gestalt. In Bayern wurde nicht die demütige Magd der Verkündigung, nicht die arme Flüchtende, die in einem Stall gebären muss, nicht die trauernde Mutter unter dem Kreuz verehrt, sondern die glorreiche Himmelskönigin. Auf allen bayerischen Münzen sitzt Maria auf Wolken thronend und ist von einer Gloriole umglänzt. Gelegentlich sehen wir zu ihren Füßen - in unserem Fall auf dem Dukat von 1646 - eine Mondsichel in Anlehnung an die schwangere Frau der Apokalypse des Johannes, die zur Mutter des Weltenherrschers wurde. Szepter und Krone, gelegentlich ein Reichsapfel sprechen von der Herrschaft Marias über das Herz ihres Sohnes Christus, der seiner Mutter keine Bitte abschlagen kann. Sie trägt einen weiten Mantel, unter dem sie alle ihr Anvertrauten vor den Gefahren der Welt zu schützen weiß. So wird sie in Bayern verehrt - wie auf den bayerischen Talern zu lesen - als Schild all derer, die auf Dich hoffen.

Maximilian machte aus seinen Münzen kleine Manifeste der Marienverehrung, die seinen Untertanen ihre religiöse Pflicht im Alltag in Erinnerung rufen sollten. Ähnlich ließ er die Wand seiner Residenz mit einer Statue der Himmelskönigin schmücken, eine Idee, die stilbildend werden sollte. Wenn in Bayern heute noch an vielen Hauswänden Madonnen ihren Platz haben, so geht das auf Maximilian I. zurück, genauso übrigens wie der immer noch begangene Feiertag Mariae Himmelfahrt.

Mutter Maria, bitte für uns: Der Sieg am Weißen Berg

Maximilian I. führte viele seiner Erfolge auf die Unterstützung der Gottesmutter zurück. Demonstrativ begann er deshalb wichtige militärische Unternehmungen an Marienfeiertagen, wenn er dazu die Möglichkeit hatte.

Bei der ersten großen Schlacht des 30-jährigen Krieges war dies nicht der Fall. Im November 1620 standen sich vor Prag am Weißen Berg die Streitkräfte des "Winterkönigs" Friedrich V. von der Pfalz und die kaiserlichen Truppen gegenüber, letztere vom bayerischen Heer unterstützt. Während das böhmische Heer aus nur etwa 14.000 Mann bestand, verfügten der kaiserliche Feldherr Bucquoy und der bayerische Feldherr Tilly gemeinsam über 26.000 Mann. Trotzdem zögerte Bucquoy mit dem Angriff, während Tilly und Maximilian forderten, die günstige Gelegenheit zu nutzen. Erst der charismatische Karmeliter Domenico a Jesú Maria konnte Bucquoy überzeugen. Er soll ihm die Unterstützung Mariens in Aussicht gestellt haben, wenn das Heer in ihrem Namen in den Krieg ziehe. Während also Bucquoy, Maximilian und Domenico a Jesú Maria im Feldherrnzelt gemeinsam ein "Salve Regina" nach dem anderen beteten, zog Tilly mit einem "Sancta Maria" brüllenden Heer in die Schlacht. Er siegte, und die Legende hat diesen Kern weitergesponnen.

Nun hieß es: Der Karmeliter Domenico a Jesú Maria habe den Soldaten ein Bild der Heiligen Familie gezeigt, das protestantische Plünderer geschändet hatten. Sie stachen Maria und Josef die Augen aus! Über diesen Frevel seien die katholischen Truppen derart empört gewesen, dass sie von allein mit dem Schlachtruf "Santa Maria" in den Kampf gezogen seien. Die habe ihnen dann den Sieg geschenkt, worauf der Karmeliter das wundertätige Bild nach Rom gebracht habe, wo es zum Zentrum der Karmeliterkirche Santa Maria della Vittoria wurde. Machen Sie sich nicht die Mühe, es dort zu suchen, es wurde bei einem Brand im Jahr 1833 vernichtet.

Mariensäule mitten auf dem Marienplatz in München. Foto: KW.

Am Fuß der Säule kämpfen gewappnete Engel immer noch gegen das Böse, hier symbolisiert durch eine Schlange. Foto: KW.

Maria als Schutzpatronin Münchens

1632 standen die Schweden in Bayern. Sie hätten München brandschatzen können. Gustav Adolf ließ sich lieber Kontributionen zahlen. Maximilian I. sah darin die Wirkung der Gottesmutter, der er ein Gelübde geleistet hatte, sollten seine Residenzstädte München und Landshut verschont bleiben.

1635 holte er im Geheimen Rat Vorschläge ein, wie er das Gelübde einlösen solle. Der Kammerpräsident Johann Mändl schlug vor, in Anlehnung an die großen Siegessäulen der Antike, eine eigene Votivsäule zu bauen. Ein Vorschlag, der sofort in die Tat umgesetzt wurde.

1637 informierte der Herzog den Münchner Stadtrat, dass er beschlossen habe, auf dem Schrannenplatz die Mariensäule zu errichten. Die Weihe durch den Freisinger Bischof fand ein Jahr später statt, und zwar selbstverständlich am Jahrestag der Schlacht am Weißen Berg, dem 7. November 1638.

Seitdem steht Maria im Zentrum von München. Viele ihrer Attribute - Krone, Szepter, Mondsichel - kennen wir von den bayerischen Talern. Ihr zu Füßen kämpfen vier gewappnete Engel gegen das Böse gemäß einem Vers des 90. Psalms: "Über die Schlange und den Basilisken wirst Du schreiten und den Löwen und den Drachen wirst Du zertreten."

Die Mariensäule wurde für die Münchner zum Mittelpunkt ihrer Stadt. Sie identifizierten sich so sehr mit ihr, dass aus dem "Schrannenplatz" der "Marienplatz" wurde.

Ludwig I., 1825-1848. Vereinsdoppeltaler 1839. Stadtbild Maximilians I. PCGS MS64+PL. Fast Stempelglanz. Taxe: 3.000 Euro. Aus Auktion 359 (26. Januar 2022), Nr. 430.

Maximilian II., 1848-1864. Doppelgulden 1855. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 60 Euro. Aus Auktion 360 (1./2. Februar 2022), Nr. 1245.

Maximilian I. hat Bayern und München nachhaltig geprägt. Viele von ihm initiierte Formen der Frömmigkeit werden heute noch in bayerischen Kirchen geübt, viele von ihm errichtete Bauten sind heute ein begehrter Hintergrund für Selfies, die Touristen aus aller Welt machen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass zum Beispiel die Mariensäule, die im Hintergrund zu sehen ist, ihre ganz eigene Geschichte hat.