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Die Türken vor Wien

18. Februar 2017


Am 29. August 1526 fand König Ludwig II. von Böhmen, Ungarn und Kroatien in der Schlacht von Mohacs gegen die Türken den Tod.

Auktion 289, Los 1534, Schätzung: 10.000 Euro. Grafen von Schlick. 1 1/2facher Taler 1526 auf den Tod Stephans von Schlick in der Schlacht von Mohacs. Inschrift in Übersetzung: Im Jahre des Herrn 1526 im Alter von 40 Jahren erlitt er für das Vaterland gegen die Türken kämpfend den Tod.

 

Eigentlich war Ludwigs Erbfolge geregelt. Er hatte seinen Schwager, den Habsburger Ferdinand I., vertraglich als seinen Nachfolger eingesetzt. Doch die ungarischen Stände sahen das anders. Sie sprachen dem Vertrag jegliche Rechtskraft ab und fassten den Beschluss, von nun an für ewige Zeiten keinen Ausländer mehr zum König zu wählen. Nur ein Ungar sei für dieses Amt qualifiziert.

Porträt des Johann Szapolyai von 1729.

In einem zweiten Schritt wählten die Stände den Woiwoden von Siebenbürgen, Johann Szapolyai, zum König. Der war damals der reichste Adlige des Landes und verfügte über ein Heer. Ihm kam ein logistischer Fehler zugute, der dazu geführt hatte, dass seine Truppen zu spät in Mohacs eingetroffen waren, um ebenfalls hingeschlachtet zu werden.

Auktion 292, Los 5949, Schätzung: 1.500 Euro. Ferdinand I. Reichstaler, posthume Prägung von 1573/1576 Hall. 

Natürlich beharrte Ferdinand I. auf seinem Anspruch. Er war der Bruder Karls V. und verfügte deshalb über äußerst reiche Ressourcen. So störte es ihn wenig, dass ihn bei seiner Wahl im Dezember 1526 nur eine Hand voll mächtiger Ungarn unterstützten. Das ließ sich ändern. Ferdinand führte ein Heer nach Ungarn und eroberte eine Burg nach der anderen.

So hatte sich die Meinung der Ständeversammlung geändert, als er ihr im frisch eroberten Buda erläuterte, warum er ein Anrecht auf den Thron habe. Sie akzeptierten ihn als König und damit hätte sich Ferdinand als der einzig rechtmäßige König von Ungarn fühlen können, wäre da nicht noch Johann Szapolyai gewesen.

Süleyman der Prächtige übergibt Johann Szapolyai die Krone von Ungarn. Zeitgenössische türkische Miniatur.

 

Der wendete sich nun an den einzig möglichen Verbündeten, der ihm blieb, an den türkischen Sultan, den die Ungarn gerade eben noch auf dem Schlachtfeld von Mohacs bekämpft hatten, und bat ihn um Hilfe. Die wurde gewährt. Süleyman verlangte von Johann den Vasalleneid und zog höchstpersönlich an der Spitze eines Heeres in den Westen.

Bündnisvertrag zwischen Johann Zapolyai und Franz I. von Frankreich.

 

Nichts wäre falscher, als diesen Krieg als ein Aufeinanderprallen der Religionen zu interpretieren. Im Gegenteil, es ging um nichts anderes als um die Frage, ob Ungarn in Zukunft von den Habsburgern oder den Osmanen beherrscht werden würde. Eine Machtfrage. Dies illustriert ein Vertrag zwischen Johann Zapolyai und dem christlichen König Franz I. von Frankreich, seinerseits ein entschiedener Gegner der Habsburger. Frankreich engagierte sich auf Seiten der Osmanen im Krieg um Ungarn.

Dass der Bruder Ferdinands I., Kaiser Karl V., so darauf bedacht war, den religiösen Aspekt des Krieges hervorzuheben, liegt vor allem daran, dass er nur so die Stände des Reichs überzeugen konnte, finanzielle und militärische Hilfe gegen die Türken zu leisten.

 Auktion 289, Losnummer 1535, Schätzung: 10.000 Euro. Ferdinand I. Belagerungsprägung zu 2 Dukaten 1529. 3. Bekanntes Exemplar.

Süleyman stieß auf keinen großen Widerstand. In Mohacs huldigte Szapolyai den Osmanen. Eine Festung nach der anderen fiel, und am 26. September des Jahres 1529 standen die Türken vor Wien.

Rundansicht der Stadt Wien zur Zeit der Ersten Türkenbelagerung. Wien Museum.

 

Ein Großteil der Wiener war geflohen, darunter natürlich auch Ferdinand I. mit seinem Hofstaat. Von den 3.500 Mann der städtischen Miliz waren nur 300 geblieben. Vom versprochenen Reichsheer war eine Hundertschaft gerade noch rechtzeitig angekommen. Also wurde die Hauptlast der Verteidigung von 12.000 gut bezahlten deutschen und spanischen Söldnern getragen.

Auktion 289, Los 1536, Schätzung: 2.000 Euro. Ferdinand I. Belagerungsprägung zu 1 Dukat 1529 

 

Deshalb wurde eine umfangreiche Emission von Belagerungsprägungen ausgegeben, nicht nur in Gold, sondern vor allem in Silber, damit die Söldner sich den täglichen Bedarf kaufen konnten und ihn nicht rauben mussten.

Viele Beispiele dieser Belagerungsmünzen haben überlebt. Sie wurden Jahrhunderte lang als Erinnerungen an den „großen Sieg der Christen“ ehrfurchtsvoll aufbewahrt.

Auktion 289, Losnummer 1537, Schätzung: 2.500 Euro. Ferdinand I. Belagerungsprägung zu 1 Dukat 1529. 

Den etwa 17.000 Soldaten in Wien stand das türkische Heer mit rund 150.000 Kämpfern gegenüber. Doch dazwischen erhoben sich die Stadtmauern, und die waren beeindruckend. Vor allem weil die schwere Artillerie der Türken auf dem Marsch durch die feuchten Donauauen stecken geblieben war. Deshalb behalfen sich die Türken mit einer alternativen Technik: Sie bauten Minen, unterirdische Gänge, die bis zu den Stadtmauern vorgetrieben werden sollten, um durch einen gezielten Einsturz die darüber stehenden Befestigungen ins Wanken zu bringen.

Auktion 289, Losnummer 1538, Schätzung: 1.500 Euro. Ferdinand I. Belagerungsprägung zu 1/2 Dukat 1529. 

Doch die Stadtbesatzung wurde von Bergleuten aus Schwaz in Tirol verstärkt. Dort wusste man genau, wie man Stollen gräbt und abstützt. Die Schwazer antworteten auf die türkischen Minen mit Gegenminen. Sie bauten also eigene Stollen, um weit vor der Stadtmauer die Minen der feindlichen Mineure zu finden und zu zerstören, wo sie keinen Schaden anrichten konnten. Wir können uns diese unterirdischen Kämpfe im engen Stollen erhellt vom flackernden Licht der Grubenlampe gar nicht schrecklich genug vorstellen. Feuerwaffen durften nicht eingesetzt werden, wollte man nicht die Explosion der mitgeführten Sprengstoffe riskieren.

Am 12. Oktober 1529 gelang es dem türkischen Heer, eine Bresche in die Stadtmauer zu sprengen. Doch ihr Angriff wurde von der Besatzung zurückgeschlagen. Daraufhin rief Süleyman seinen Kronrat zusammen. Es ging auf den Herbst zu. Die Versorgung war für den Winter nicht gesichert, und so fiel die Entscheidung, das türkische Heer zurückzuziehen. Ein Sieg? Eine Niederlage?

Auktion 289, Losnummer 1547, Schätzung: 500 Euro, Wallfahrtsmedaille Sonntagberg von P. Seel (Mitte des 17. Jh.) auf das Rosswunder von 1529. 

Die christliche Seite sah es natürlich als Sieg und verklärte die Rettung Wiens durch zahlreiche Legenden. Von einer erzählt die hier abgebildete Wallfahrtsmedaille: Türkische Pferde sollen angesichts des Heiligen vor der Wallfahrtskirche in Sonntagberg in die Knie gegangen sein und sich geweigert haben, ihre Reiter zu Plünderung und Raub zu tragen.

Auktion 289, Losnr. 1543, Schätzung: 250 Euro. Ferdinand I. Belagerungsprägung zu 6 Kreuzern 1529. 

Tatsächlich war die Sachlage alles andere als klar. Wien wäre nach dem Abzug der Türken beinahe noch von den meuternden Reichstruppen gestürmt worden. Die waren zu spät gekommen und hatten deshalb den fünffachen „Sturmsold“ nicht erhalten. Erst nach zwei Wochen konnte man ihre Ansprüche reduzieren und befriedigen, so dass sie abzogen.

 Auktion 289, Losnummer 1551, Schätzung: 400 Euro. Medaille auf Wilhelm Freiherr von Rogendorf, Anführer der kaiserlichen Reiterei während der Belagerung von Wien.

Wien war auf jeden Fall nicht erobert und die Habsburger vorgewarnt. Als Süleyman 1532 ein zweites Heer schickte, kam es nicht bis Wien. Es wurde bei der Schlacht von Fahrawald vernichtet. Dies lag vor allem daran, dass Karl V. die Reichstruppen hatte aufbieten können, wofür er mit den reformierten Fürsten den Nürnberger Religionsfrieden schließen musste. Die Reformation hätte sich im Deutschen Reich wohl nicht so schnell durchgesetzt, hätte Karl V. seinem Bruder Ferdinand I. nicht die Türken vom Halse halten müssen...

Karte des aufgeteilten Ungarn. Quelle: PANONIAN / CC0

Ungarn wurde 1533 geteilt. Habsburg erhielt ein Stückchen Kroatien um die Stadt Agram und ein kleines Streiflein von Ungarn, das etwa bis zum Balaton reichte. Der große Rest wurde direkt von Konstantinopel oder mittels christlicher Vasallen verwaltet. Will man diesen Frieden wirklich einen christlichen Sieg nennen?