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Köln - Das neue Rom

14. September 2018


Haben Sie Umberto Ecos Schelmenroman „Baudolino“ gelesen? Er erzählt aus der Perspektive des modernen Skeptizismus, wie die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln gekommen sind: Baudolino, Protégé Friedrich Barbarossas, findet bei der Belagerung von Mailand im Jahr 1158 ein paar Knochen in der halb verfallenen Kirche St. Eustorgio. Er staffiert sie mit prächtigen Stoffen aus und präsentiert sie Rainald von Dassel, Erzbischof von Köln und Erzkanzler von Italien, der Friedrich Barbarossa auf seinem Feldzug gegen Mailand begleitet. Der erkennt sofort die Möglichkeiten, die diese Knochen bieten. Als sichtbares Zeichen der himmlischen Gnade bringt er sie in den Kölner Dom und macht Köln so zu einem bedeutenden Wallfahrtszentrum.

Brakteat, Saalfeld. Der Kölner Erzbischof Reinald von Dassel mit Krummstab und Mitra neben dem Abt von Saalfeld. Aus Auktion Künker 313 (9. Oktober 2018), Nr. 3521.


Ob es wirklich so war? Wir wissen es nicht. Tatsache aber bleibt, dass Friedrich Barbarossa am 9. Juni 1164 eine Urkunde ausfertigte, mit der er den Besitz an den Reliquien der Heiligen Drei Könige dem Erzbischof von Köln übertrug. Der überführte die Gebeine am 23. Juli 1164 feierlich in den Kölner Dom.

 

Der Dreikönigsschrein im Kölner Dom, angefertigt vom damals hochberühmten Goldschmied Nikolaus von Verdun. Foto: Beckstet. CC-BY 3.0.


Über so eine Reliquie zu verfügen, war im Mittelalter ein echtes Argument für den deutschen König, der alleinige, echte Kaiser zu sein und damit von höherem Rang als alle anderen europäischen Fürsten. Schließlich waren die Heiligen Drei Könige die ersten Herrscher, die dem Christuskind ihre Ergebenheit zollten. Die Tatsache, dass Friedrich Barbarossa ihre Reliquien besaß, unterstrich die Wertschätzung, die er im Himmel genoss. 

 

Rainald von Dassel. Foto: Elya, bearbeitet von MagentaGreen. CC-BY 4.0.


Und natürlich brachte der Besitz dieser Reliquien auch jede Menge Pilger nach Köln. Ein wesentlicher Grund für den Neubau des gotischen Kölner Doms dürfte das Anliegen gewesen sein, den Pilgern die Möglichkeit zu geben, den Dreikönigsschrein zu umwandern.

 

Bistum Köln. Sedisvakanz 1688. Reichstaler 1688. Sehr selten. Aus Auktion Künker 313 (9. Oktober 2018), 3634.


Die Kölner waren stolz, die Heiligen Drei Könige in ihrer Stadt zu haben. So ist es verständlich, dass sie ihr Bild immer wieder auf ihre Münzen setzten. 

 

Stadt Köln. Dukat 1753. Künker 313 (9. Oktober 2018), Nr. 3766.


Und mehr noch: Sie nahmen ihre drei Kronen in ihr Wappen auf. Was aber ist in der unteren Hälfte des Wappens zu sehen? Es handelt sich um eine Art Flammen. Auch diese stehen für heilige Mitbürger, auf deren Schutz die Kölner vertrauten: Sie beziehen sich auf die heilige Ursula und ihre 11.000 Gefährtinnen.

 

Ursula und Aetherius kommen auf ihrer Pilgerreise nach Rom zu Papst Cyriacus. Dieser Teil der Legende bürgerte sich erst im Laufe des 12. Jhs. ein. Vittorio Carpaccio, Ursula-Zyklus. Galleria dell’Academia / Venedig. CC-BY 4.0.


Die Legende erzählt, dass die hl. Ursula die Tochter eines bretonischen Königs gewesen sei, die der heidnische Prinz Aetherius zur Gemahlin begehrt habe. Doch Ursula hatte Jungfräulichkeit gelobt. Ein Traum gebot ihr, eine Wartezeit von drei Jahren zu erbitten, um ihr Gelübde zu erfüllen. Sie erhielt die drei Jahre und segelte danach mit 11.000 Gefährtinnen nach Köln, das gerade von Heiden belagert wurde. Von deren Händen erlitten sie und ihre Gefährtinnen den Märtyrertod.

 

Die Clemantius-Inschrift. Foto: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons). https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed

Man kann diese Sage zurückverfolgen bis zu einer lateinischen Steininschrift aus dem 4. oder 5. Jh., die überliefert, dass ein gewisser Clemantius für die ehrwürdigen Märtyrer-Jungfrauen eine Kirche errichtete. 
Aktuell wurde diese Inschrift im Jahr 1106. Bei einer Erweiterung der Stadtmauer entdeckte man einen römischen Friedhof, der eine Menge an Knochen lieferte, die natürlich Reliquien sein mussten. (Die verkauften sich damals glänzend.) Man bezeichnete den Friedhof als Ager Ursulanus (= Ursulafeld). Irgendwie gerieten ein paar der dort gefundenen Knochensplitter nach Schönau zur hl. Elisabeth, die als große Mystikerin die Geschichte der hl. Ursula und ihrer 11.000 Gefährtinnen bis ins Detail schaute. Ihr Bruder Egbert schrieb ihre Visionen in den Jahren 1156/7 auf, und das „Buch der Offenbarung der Heiligen Schar der Kölnischen Jungfrauen“ war entstanden. Es lieferte Namen für zahlreiche Begleiterinnen der hl. Ursula - und heizte die Nachfrage nach Kölner Reliquien kräftig an. 
Auch andere Mystiker fühlten sich genötigt, die Geschichte auszuschmücken. So kann ein Jahrhundert später der hl. Hermann Joseph von Steinfeld in seinem Hymnus auf die hl. Ursula bereits 9.816 namentlich bekannte und anonyme Jungfrauen nennen.

 

Stadt Köln. Goldabschlag zu 4 Goldgulden von den Stempeln des Dreikönigstaler o. J. (um 1620). Aus Auktion Künker 313 (9. Oktober 2018), Nr. 3724.


Unser Goldabschlag aus der Sammlung des Bankhauses Sal. Oppenheim zeigt die entscheidende Szene der Ursula-Legende, wie sie sich seit dem 13. Jh. eingebürgert hatte. Wir sehen zentral auf einem Boot, den Rhein nach Köln hinauffahrend, die hl. Ursula mit der Krone. Zu ihrer Linken steht aufwändig gekleidet der englische Prinz Aetherius. Er hatte versprochen, sich nach den drei Jahren Wartezeit taufen zu lassen. Gemeinsam mit seiner Braut war er nach Rom gepilgert, wo sich ihnen der (geschichtlich nicht verifizierbare) Papst Cyriacus anschloss. Wir sehen ihn mit Tiara und Prozessionskreuz zur Rechten der hl. Ursula. In der Darstellung umgesetzt ist der Moment, in dem der Angriff der heidnischen Belagerer Kölns erfolgt: Während der Prinz beschützend die Arme vor seinem Körper hält, betet die hl. Jungfrau zu Gott, gestützt vom mutigen Papst, der die christliche Botschaft ins Land der Ungläubigen bringt.

Eine passende Botschaft im Zeitalter der Kreuzzüge. Man denke daran, 1099, sieben Jahre vor der „Entdeckung“ des Ursulafelds, war im Ersten Kreuzzug Jerusalem erobert worden. Eine passende Botschaft aber auch um 1620, in der Anfangsperiode des 30jährigen Krieges, als die Kölner Serie von Dreikönigstalern geprägt wurde. Damals griffen die Exponenten der Gegenreformation zu den Waffen, um militärisch das neue Gedankengut zu besiegen, das da so ganz ohne die Heiligen auskommen wollte. Selbstverständlich trat man den Reformierten auch mit geistigen Waffen entgegen, mit den Gebeinen von 11.000 Jungfrauen, die sich mutig in den Kampf gegen den Unglauben gestürzt hatten.

 

Die „Goldene Kammer“ von St. Ursula in Köln. Foto: Davidh820 CC-BY 4.0.


Für wie wichtig man Ursula und ihre Hilfe im Kampf gegen den Lutherischen Glauben hielt, zeigt die Tatsache, dass Kaiser Ferdinand II. zusammen mit dem Erzbischof von Köln die Heiligsprechung des großen Dichters der hl. Ursula, Hermann Joseph von Steinfeld, betrieb. Und im Jahr 1643 ließen der kaiserliche Hofrat Johann Krane und seine Ehefrau die damals bereits existierende „goldene Kammer“ zur Aufbewahrung der Reliquien der 11.000 Jungfrauen in ihrer heutigen Gestalt errichten.

Diese Fülle an Reliquien hatte Köln im Mittelalter zu einem neuen Rom gemacht. Und selbstverständlich waren sowohl die Kölner als auch ihr Bischof bereit, für ihre Heiligen zu kämpfen. Und das nicht nur im 17. Jahrhundert. Während der französischen Besatzung lagerte man die Reliquien der hl. Drei Könige ins freie Deutz aus. Erst nach dem Konkordat Napoleons mit der katholischen Kirche kehrten sie am 6. Januar 1804 wieder an ihren angestammten Platz zurück.  
 
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