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Heinz Thormann - Porträt eines Numismatikers

14. Februar 2019 15:49


Der Journalist und Numismatiker Heinz Thormann stammt aus einer Familie mit sozialdemokratischer Tradition. Der Großvater mütterlicherseits, Wilhelm Friesecke, war Stadtrat der SPD in Rathenow, er betrieb die Brillenfabrik Friesecke und Paasche und war gleichzeitig erster Gastwirt im Waldschloß. Die Eltern von Heinz Thormann waren der Optiker Ernst Alfred Thormann und Margarethe Thormann, geborene Friesecke, die das Lyzeum in Rathenow besucht hatte, und sich später um den Haushalt und die Erziehung der Kinder, der Tochter Käte, geb. am 14. März 1914 und um den Sohn Heinz Thormann kümmerte. Er kam 1929 zunächst in die Hagenschule, wechselte in die Jahnschule und besuchte von der 5. bis zur 10. Klasse das Reformgymnasium. Er beugte sich dem Wunsch des Vaters und begann 1938 eine Lehre bei dem Optikermeister Hans Hüppauf in Berlin in der Invalidenstrasse. Als sein Vater am 31.10.1938 starb, brach er die Optikerlehre sofort ab und begann eine kaufmännische Lehre bei der Havelzeitung in Rathenow. Schon während der Ausbildung erkannte Heinz Thormann seine journalistischen Fähigkeiten und schrieb als Lokalredakteur über die interessanten Ereignisse seiner Heimatstadt Rathenow, ab 1939 war er Redakteur der Havelzeitung. 

Ab 1941 teilte Heinz Thormann das Schicksal Millionen anderer junger Deutscher. Nach Arbeitsdienst und Ausbildung in Guben bei der Infanterie folgte Kriegsdienst auf der Krim und in Estland. Diese Zeit  war begleitet von Erkrankungen und Verletzungen. Trotz allem hatte Thormann Glück im Unglück und wurde nach amerikanischer Internierung offiziell aus der Wehrmacht entlassen, anschließend war er freier Mitarbeiter des Senders Radio Hamburg. 

Am 22.11.1945 schlossen Heinz Thormann und die aus Zerbst in Anhalt stammende Chemielaborantin Ursula Baumgart die Ehe in Wedel. Thormann, der zu seiner Frau nach Zerbst gezogen war, wurde Redakteur beim Landesnachrichtenamt der Provinz Sachsen in Halle, am 29.11.1946 wurde die Tochter Ingrid geboren, die Mutter des Antikennumismatikers Jens-Ulrich Thormann.

Die Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED am 01.05.1946 war ein Politikum, mit dem sich Heinz Thormann nicht identifizieren wollte. Seine Protesthaltung führte zu einer zeitweiligen Verhaftung, aus der er am 20.10.1946 entlassen wurde. Als ihm aber die Stelle als Chefredakteur beim „Morgen“ aus politischen Gründen verwehrt wurde, ging er als Redakteur zur Norddeutschen Zeitung nach Schwerin. 1949 zog die Familie in den Westen, in Jever traf er auf seinen alten Chef der Havelzeitung, Dr. Fritz Blume. 10 Jahre war Thormann Leiter der Lokalredaktion der Oldenburger Nordwestzeitung in Aurich, wo am 09.10.1949 die zweite Tochter Margrit geboren wurde, die Mutter des zweiten Enkels von Heinz Thormann, Oliver Gorholt. Im November 1959 wechselte Thormann zur Neuen Tagespost in Osnabrück und wurde Leiter der Lokalredaktion in Meppen. Nach der 1969 erfolgten Fusionierung der Neuen Tagespost mit dem Osnabrücker Tageblatt blieb Thormann weiter verantwortlich für den Bereich Meppen. 

Am 01. April 1970 gab Thormann seine journalistische Karriere beim Osnabrücker Tageblatt auf und wurde Mitarbeiter der Münzenhandlung Holger Dombrowski in Münster (bis 1976). Neben der Bearbeitung des numismatischen Materials war er verantwortlicher Redakteur der Münsterschen Numismatischen Zeitung, deren Ausgaben in die Lagerkataloge von Dombrowksi integriert waren. Von 1976 bis 1982 war Thormann Mitarbeiter des Auktionshauses Tietjen und Co. in Hamburg, bis 1985 war er bei Emporium für die Numismatik verantwortlich, bis er schließlich von 1985 bis 1988 Mitarbeiter des Auktionshauses Fritz Rudolf Künker in Osnabrück wurde. 

Der Einstieg 1970 als Berufsnumismatiker kam nicht von ungefähr. Schon als Schüler hatte Heinz Thormann Münzen gesammelt. Voller Stolz hat er immer wieder erzählt, dass er bei Robert Ball Nachfolger in Berlin ein Kilo mittelalterlicher Münzen auf Basis des Gewichtspreises erwerben konnte. 

So faszinierte ihn besonders die Numismatik des Mittelalters auf der einen Seite, und die Münzen des Hauses Anhalt auf der anderen Seite. Es war Zerbst in Sachsen-Anhalt, die Heimat seiner Frau, die ihn inspirierte, die Münzen des Hauses Anhalt mit allen numismatischen Varianten einschließlich moderner Medaillen konsequent zu sammeln. 

Der wesentliche Teil der langjährigen Sammlertätigkeit von Heinz Thormann wird unseren verehrten Kunden in diesem Katalog vorgestellt. Für die numismatische Bearbeitung danken wir unserem Mitarbeiter Herrn Dr. Martin Ziegert, dessen Arbeit durch die akribische Bestimmung aller Objekte durch den Sammler Heinz Thormann erleichtert wurde. Wertvolle Hinweise kamen auch von unserem Mitarbeiter Mag. Jens-Ulrich Thormann, der die numismatische Tradition seines Großvaters als Spezialist für antike Münzen fortsetzt. Zu Beginn der 1990er Jahre hatte Heinz Thormann schon einmal mit dem Landesmünzkabinett in Halle über den Verkauf seiner kompletten Sammlung an das Land Sachsen-Anhalt verhandelt. Zu diesem Verkauf kam es damals nicht, die Erben von Heinz Thormann haben aber Teile der Sammlung, die modernen Prägungen nach 1945, die Marken und Zeichen sowie die Banknoten, für das Landesmuseum Moritzburg in Halle reserviert und entsprechen damit dem Willen von Heinz Thormann. 

Zu seinem 90. Geburtstag haben seine Freunde eine Festschrift herausgegeben: „Festschrift für Heinz Thormann, dem Nestor der Anhalt-Numismatik zum 90. Geburtstag 2013“. In dieser Festschrift wurde auch seine Bibliographie von Dr. Ulrich Fach veröffentlicht: „Heinz Thormann – Versuch einer Bibliographie“. Diese Bibliographie publizieren wir in diesem Versteigerungskatalog erneut.

Für seine umfangreichen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der anhaltischen Numismatik und seiner Heimatstadt Rathenow ist Heinz Thormann 2014 von der Deutschen Numismatischen Gesellschaft mit der Verleihung des Eligius-Preises geehrt worden.

Heinz Thormann war eine geradlinige, charakterstarke Persönlichkeit, die ihr Leben lang ihren Weg konsequent gegangen ist und sich nicht verbiegen lassen hat. Er war ein akribisch genauer und außergewöhnlich fleißiger Numismatiker, der bei Wissenschaftlern und Sammlern gleichermaßen ein sehr hohes Ansehen genoß. Ein von ihm selber propagiertes Ziel hat er nur knapp verfehlt: das Erreichen des Lebensalters mit einer Doppel-Null. Er starb in seiner Wahlheimat Osnabrück am 29. Oktober 2016 im Alter von 93 Jahren. 

Osnabrück, im Januar 2019


Fritz Rudolf Künker