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Wie es zum Bayerischen Reinheitsgebot kam

20. февраль 2020 10:02


In der kommenden Künker Auktion 335 am 18. und 19. März 2020 wird eine umfangreiche Sammlung mit bayerischen Münzen und Medaillen versteigert. Wir nutzen die Gelegenheit, um Ihnen den Fürsten vorzustellen, auf den das bayerische Reinheitsgebot zurückgeht. Wilhelm IV. und sein Bruder Ludwig X. regelten in der Bayerischen Landesordnung von 1516, was zu einem ordentlichen Bier gehört. Allerdings war das Bier damals ihre geringste Sorge.

Albrecht IV. von Bayern, Gemälde von Bartel Beham um 1535. Staatsgalerie Neuburg.

Primogenitur

Albrecht IV., Vater Wilhelms und Ludwigs, war der fünftälteste Sohn von insgesamt sieben männlichen Nachkommen gewesen. Er setzte sich trotzdem als Alleinherrscher von Bayern durch, auch wenn es ihn Geld, Energie und zahllose Zugeständnisse kostete. Unter seiner Herrschaft gewann das Herzogtum Bayern einen beachtlichen Umfang, was die Ressourcen mit sich brachte, politisch auf europäischer Ebene mitzuspielen. Doch Albrecht war sich nur zu bewusst, dass es damit bei seinem Tod schon wieder ein Ende hätte: Schließlich gab es seine drei Söhne, unter denen er das Erbe würde verteilen müssen. Und eine Verkleinerung der Herrschaften war gleichbedeutend mit einer Verkleinerung der Macht.

Wahrscheinlich war das der Grund, warum Albrecht mit dieser im Mittelalter üblichen Erbfolge brach. Statt seinen Besitz auf seine Söhne zu verteilen, legte er fest, dass im Herzogtum Bayern fortan die Primogenitur herrschen solle: Mit anderen Worten, der älteste Sohn solle die Herrschaft übernehmen. Alle jüngeren Prinzen sollte der Älteste zu Grafen ernennen und mit einer Apanage von 4.000 Gulden im Jahr abspeisen.

Diese Regelung war gerade noch rechtzeitig erfolgt. Ein gutes Jahr später starb Albrecht IV., den schon seine Zeitgenossen als den Weisen bezeichneten.

Silbergussmedaille 1535, unsigniert, von Matthes Gebel auf Wilhelm IV. Sehr selten. Vermutlich Originalguss. Exemplar der Sammlung Gutekunst, Auktion Jacob Hirsch 28 (1910), Nr. 227. Taxe: 1.000 Euro. Aus Auktion Künker 335 (2020), Nr. 3375.

Silbermedaille o. J. vom „Meister der Gruppe des Herzogs Ludwig“ auf Ludwig X. Sehr selten. Geprägtes Original. Sehr schön bis vorzüglich. Taxe: 1.000 Euro. Aus Auktion Künker 335 (2020), Nr. 3381.

Der älteste Sohn erbt, der zweitälteste Sohn protestiert, und am Schluss hat doch wieder jeder eine Herrschaft

Albrechts ältester Sohn hieß Wilhelm IV. und war zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters gerade mal 15 Jahre alt. Er wurde erst 1511 als volljährig aus der Vormundschaft entlassen. Zwei Jahre später erreichte sein Bruder Ludwig die Volljährigkeit, und der war alles andere als begeistert, seinem älteren Bruder die Alleinherrschaft zu überlassen. Er protestierte. Sein Argument: Er sei vor der Erbregelung seines Vaters geboren worden, weswegen sie auf ihn nicht anwendbar sei.

Beinahe wäre es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Brüdern gekommen, doch da bot Kaiser Maximilian I. an, einen Schiedsspruch zu liefern. Das wollte niemand in Bayern. Mit den Schiedssprüchen dieses Kaisers hatte man nämlich schon so seine Erfahrungen. Maximilian hatte den Landshuter Erbfolgekrieg mit einem Schiedsspruch entschieden und sich dafür als Honorar so große und so reiche bayerische Gebiete unter den Nagel gerissen, dass die Brüder sich lieber sofort einigten, ehe sie noch einen kaiserlichen Schiedsspruch riskierten. Das war billiger. Am 14. Oktober 1514 wurde festgelegt, dass Wilhelm in München zwei Drittel des Landes regieren sollte, während Ludwig die reichen Bezirke Landshut und Straubing erhielt.

Wilhelm IV. und Ludwig X., gemeinschaftliche Prägung 1516-1545. 10 Kreuzer (1/4 Taler) 1525, München. Sehr selten. Sehr schön. Taxe: 2.500 Euro. Aus Auktion Künker 335 (2020), Nr. 3378.

Wilhelm IV. und Ludwig X., gemeinschaftliche Prägung 1516-1545. 6 Kreuzer 1536, München. Sehr selten. Sehr schön. Taxe: 500 Euro. Aus Auktion 335 (2020), Nr. 3380.

Ein einheitliches Recht für ganz Bayern - und so ganz nebenbei das Reinheitsgebot

Trotz der Teilung waren die beiden bemüht, Bayern nicht wieder auseinanderfallen zu lassen. Im Gegenteil. Deshalb gibt es zum Beispiel gemeinschaftlich geprägte Münzen, die die Namen Wilhelms und Ludwigs tragen. Sie richten sich in Aussehen und Gewicht nach der Münzordnung von 1506, die Vater Albrecht IV. zeitgleich mit der (missglückten) Einführung der Primogenitur von den Landständen hatte genehmigen lassen.

Überhaupt bemühten sich die beiden Herrscher, eine einigende Klammer über die Landesteile zu legen. Dazu diente ihnen auch die Bayerische Landesordnung, die mit Zustimmung der vereinigten Landstände von Nieder- und Oberbayern im April des Jahres 1516 angenommen wurde. Diese Landordnung regelte eine Vielzahl von praktischen Angelegenheiten. Doch eines hat sie berühmt gemacht: In ihr wurde zum ersten Mal für ganz Bayern festgelegt, woraus ein anständiges Bier bestehen darf, nämlich aus Gerste, Hopfen und Wasser - und aus sonst nichts.

Wilhelm IV. wäre wohl höchst verblüfft, würde er wissen, dass er vor allem durch diese Landordnung in die Geschichte eingehen würde. Denn für ihn war die Sache mit dem Bier nur eine unter vielen. Er hatte sich in dieser Frage mit seinem Bruder dahingehend verständigt, dass die Münchner Regelung seines Vaters, die dieser noch auf ganz Oberbayern ausgedehnt hatte, nun im ganzen Herzogtum Bayern gelten sollte. Solche Lebensmittelvorschriften waren im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit nichts Besonderes. Im Gegenteil. Seine Besonderheit erhält das Bayerische Reinheitsgebot eher dadurch, dass es nie aufgehoben wurde.

Für Wilhelm IV. und Ludwig X. war es genauso ein winziger Artikel in ihrer Landordnung, wie diese Landordnung nur ein einzelner Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen Herzogtum sein sollte: 1518 veröffentlichten sie eine Reform des Landrechts für ganz Bayern und 1520 die erste einheitliche Gerichtsordnung.

Renaissancefürsten - Renaissancebauten

Nicht nur innenpolitisch arbeiteten die beiden Brüder zusammen. Sie kooperierten auch, wenn es galt, die Macht ihrer Nachbarn, der Habsburger, einzuschränken. Ludwig kandidierte gegen Ferdinand I. als böhmischer und als römisch-deutscher König. Auch wenn er dabei scheiterte, zeigt es doch, wie reich und mächtig die beiden bayerischen Herzöge gemeinsam waren.

Noch heute zeugen die Residenzen in Landshut und München vom Kunstsinn der beiden Brüder und von der Qualität der Künstler, die sie an ihren Hof holten.

Albert V. Guldentaler (60 Kreuzer) 1561, München. Äußerst selten. Sehr schön. Aus Auktion Künker 335 (2020), Nr. 3382.

Bayern unter Albrecht V. vereint

Ludwig X. starb 1545, ohne einen Erben zu hinterlassen. Und Wilhelm IV. hatte lediglich einen überlebenden Sohn, Albrecht V. Mit ihm konnte in der folgenden Generation wahr werden, was Albrecht IV. initiiert hatte: Nun wurde Bayern wirklich eine Primogenitur, ohne dass ein jüngerer Bruder Einspruch einlegen hätte können - einfach weil es keinen jüngeren Bruder gab.

Und als Albrecht V. 1579 starb, hatten sich seine Söhne an den Gedanken gewöhnt, dass nur der Älteste dem Vater ins Amt folgen würde. So trat Wilhelm V. trat das Herzogsamt alleine an. Ferdinand, der zweitälteste wurde Graf und begründete das Geschlecht der Grafen von Wartenberg. Und der jüngste Bruder machte in der Kirche Karriere. Seitdem blieb Bayern ungeteilt. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum seine Bewohner so eine starke Heimatverbundenheit entwickelt haben.