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Der Fund von Markstetten: Zeugnis eines Polit-Thrillers im Hochmittelalter

05. март 2021



Der Münzfund von Markstetten, verborgen nach 1228. Auktion Künker 349 (2021), Nr. 5168.

Am 18. Juni 2017 wurde bei Markstetten ein Münzschatz entdeckt: Irgendwann nach 1228 vergrub eine uns unbekannte Person ein Tongefäß, das exakt 560 Pfennige enthielt. Mit Ausnahme eines einzigen Stückes wurden all diese Pfennige in Regensburg geprägt. Das war zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch nicht die freie Reichsstadt, als die wir es heute zumeist kennen, sondern ein machtvolles Bistum, um dessen Kontrolle gleich mehrere Parteien rangen, darunter die adligen Mitglieder des Domkapitels, die reichen Bürger und der bayerische Herzog.
 


Pfennig um 1210. Emmerig 173.

Die Vorgeschichte: Münztyp „Emmerig 173“

Der Großteil des Funds von Markstetten besteht aus nur zwei Münztypen: Typ „Emmerig 206“ mit 255 Exemplaren und Typ „Emmerig 207“ mit 292 Exemplaren. Für beide gab es bisher keine genauere Datierung als „um 1225“, die Hubert Emmerig in seinem 1993 publizierten Buch „Der Regensburger Pfennig “ erarbeitete. Eugen Voronin, der den Münzfund von Markstetten numismatisch-historisch aufgearbeitet hat, war es möglich, diese Datierung zu verfeinern. Um seine Argumentation nachzuvollziehen, müssen wir uns erst die politische Situation in Regensburg vergegenwärtigen.

Wir dürfen uns nicht vorstellen, dass es im späten Mittelalter nur einen Herrn von Regensburg gegeben hätte. Im Gegenteil: Viele Parteien versuchten, ihren Einfluss in der Stadt durchzusetzen. Da war zunächst das Domkapitel, das aus den nachgeborenen Söhnen von Adligen bestand, die versuchten, die Interessen ihrer Familien zu fördern. Das Domkapitel wählte den Bischof, wobei nicht dessen geistliche Berufung die Wahl entschied, sondern die tagespolitische Machtkonstellation. Welcher Adelsfamilie gelang es, genug Domkapitulare hinter sich zu scharen, um ihren Kandidaten durchzusetzen?

Dann gab es die aufstrebende Regensburger Bürgerschaft, die dank steinerner Brücke und Donau hervorragend verdiente. Ein weiterer Faktor war der mächtige bayerische Herzog, der in Regensburg eine Residenz unterhielt. Wir dürfen nicht vergessen, dass München erst rund eine Generation später herzogliche Residenz wurde. Nun war das Amt eines Bischofs von Regensburg mit großer Macht verbunden. Wie groß sie war, wird klar, wenn wir uns den Mann ansehen, der sich für den Münztyp „Emmerig 173“ verantwortlich zeichnete: Konrad IV., Bischof von Regensburg in den Jahren zwischen 1204 und 1226, amtierte als Kanzler des Gegenkönigs Philipp von Schwaben. Friedrich II. erkaufte sich Konrads Unterstützung, indem er ihm die unumschränkte Stadtherrschaft über Regensburg bestätigte. Als Konrad am 8. April 1226 starb, war der Kampf um seine Nachfolge eröffnet.
 


Pfennig um 1226/7. Emmerig 207.

Bischof Gottfried: Münztyp „Emmerig 207“

Der bayerische Herzog machte den ersten Zug. Er war vor Ort und überzeugte seine Unterstützer im Regensburger Domkapitel, einen ihm genehmen Kandidaten zu wählen und gleich zu inthronisieren. Damit hatte er vollendete Tatsachen geschaffen, mit denen die Mehrheit des Domkapitels und die Regensburger Bürgerschaft nicht einverstanden waren. Beide dürften gefürchtet haben, dass der bayerische Herzog in Zusammenarbeit mit einem ihm verpflichteten Bischof seinen Einfluss in Regensburg entscheidend würde vergrößern können. Schließlich verfügte ein Bischof über die Pflicht, einen weltlichen Verwalter für seine Besitzungen einzusetzen. Wen er dafür wählte - einen Regensburger Patrizier, den Verwandten eines Domkapitulars oder einen Unterstützer des Herzogs, - stand ihm völlig frei. Dass sich der Streit tatsächlich um die bischöflichen Lehen drehte, bestätigt die Bemerkung eines (kirchlichen) Chronisten, der davon sprach, dass „der alte, schwache Mann“, gemeint ist Bischof Gottfried, die Bistumsgüter verschenkt, verlehnt und verschleudert habe. Wir müssen diese Behauptung mit der ihr angemessenen Skepsis betrachten, können aus ihr aber zumindest schließen, dass weder die Regensburger Bürger noch die Adligen des Domkapitels mit Gottfrieds Auswahl an Lehnsnehmern einverstanden waren. So schickten sie gemeinsam eine Gesandtschaft nach Rom, um den Papst dazu zu veranlassen, in ihrem Sinne in den Bischofsstreit einzugreifen. Das hatte Aussicht auf Erfolg, da jeder neue Bischof sich sein Amt in Rom bestätigen lassen musste. Wer dies noch nicht getan hatte, der galt als „Electus“, als gewählter, aber noch nicht bestätigter Bischof. Erst mit der kirchlichen Bestätigung wurden Stab, Ring und Mitra übergeben. Und wenn man sich die Darstellung des Bischofs auf dem Münztyp „Emmerig 207“ ganz genau ansieht, dann wird man feststellen, dass exakt diese Insignien fehlen, dass diese Münze also von Bischof Gottfried nach seiner Wahl, aber vor einer allfälligen Bestätigung geprägt wurde. Zu der kam es allerdings nie.
 


Pfennig um 1227/8. Emmerig 206.

Bischof Siegfried: Münztyp „Emmerig 206“

Wir befinden uns, wie gesagt, im Jahr 1226, also exakt ein Jahr vor dem Beginn des Streits zwischen Papst Gregor IX. und Kaiser Friedrich II. Die Regensburger Gesandtschaft trug dem Rechnung und hatte einen Kandidaten dabei, der beiden Parteien zufriedenstellen konnte: Es handelte sich um Domkapitular Siegfried, einen Großneffen des mächtigen Mainzer Erzbischofs, der seinerseits sowohl zum Kaiser als auch zum Papst ein gutes Verhältnis pflegte. Natürlich entschied sich der Papst gegen den Kandidaten des bayerischen Herzogs und für den Großneffen des Mainzer Erzbischofs. Der wurde flugs zum neuen Bischof gewählt und gesalbt. Auf der Rückreise machte Siegfried noch in Melfi Halt, um sich auch bei Kaiser Friedrich II. seine Bestätigung zu holen. Er kehrte im Herbst des Jahres 1227 nach Regensburg zurück, und zwar im vollen Besitz aller Insignien und im Rücken die gemeinsame Unterstützung von Kaiser und Papst. Ein Verbündeter des bayerischen Herzogs hatte gegen ihn keine Chance. So dankte Gottfried kampflos ab und erhielt (wahrscheinlich dafür) von Siegfried ausreichende Einkünfte zugestanden, um einen standesgemäßen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Bischof Siegfried aber ließ neue Münzen prägen, die ihn im vollen Schmuck aller bischöflichen Rangabzeichen zeigten: Wer genau hinsieht, erkennt auf Typ „Emmerig 206“  sowohl die bischöfliche Mitra als auch den Krummstab. Der Schlüssel den der Bischof so demonstrativ in der linken Hand hält, könnte sowohl als Attribut des Regensburger Bistumsheiligen St. Petrus gedeutet werden als auch als Hinweis auf die päpstliche Unterstützung.

 

Der juristische Hintergrund

All dies wüssten wir nicht, hätte Eugen Voronin, Mitarbeiter von Künker am Dom in München, den Schatzfund nicht detailliert wissenschaftlich ausgewertet. Der Schatzfund wurde dafür zuvor mitsamt Fundkoordinaten der Staatlichen Münzsammlung München sowie aller anderen zuständigen Institutionen wie z. B. dem Landesamt für Denkmalpflege in Bayern gemeldet, zur Bearbeitung übergeben und wissenschaftlich erfasst. Keine der dazu ermächtigten Institutionen machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch, so dass der Fund jetzt, nachdem er wissenschaftlich erfasst und ausgewertet wurde, öffentlich zum Verkauf angeboten werden kann.

Hubert Ruß, Geschäftsführer der Münzenhandlung Künker am Dom, meint dazu: „Es war uns nicht nur eine gesetzliche, sondern auch moralische und historische Verpflichtung, den ehrlichen Finder über die notwendigen Schritte zu informieren und ihn beim Durchlaufen des gesamten Prozesses zu begleiten. In Bayern gilt schon seit Jahrhunderten die so genannte Hadrianische Teilung, die von einem römischen Kaiser Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. festgelegt wurde. Danach teilen sich der Finder und der Grundeigentümer den Schatz, wobei für beide eine Meldepflicht besteht. Außerdem erhebt der bayerische Staat den Anspruch, jeden Schatzfund für die Nachwelt wissenschaftlich zu dokumentieren sowie, wenn es sich um einen Fund von besonderer Bedeutung handelt, ihn anzukaufen. Dies war beim Schatzfund von Markstetten nicht der Fall. Wir haben uns aber bewusst entschieden, den Schatz erst nach einer wissenschaftlichen Bearbeitung anzubieten, und zwar als ein Lot in der Hoffnung, dass sich ein privater oder öffentlicher Käufer findet, der ihn als Ensemble für die Nachwelt erhält.“

Klicken Sie hier, um die umfassende wissenschaftliche Publikation des Fundes mit interessanten Erkenntnissen zur Regensburger Münzprägung dieser Zeit kann hier heruntergeladen werden. [PDF]