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Friedrich August I., 1694-1733 (August der Starke). Goldabschlag zu 11 Dukaten von den Stempeln des 32 Groschen-Stückes (Speziesreichstaler, Doppelgulden) o. J. (1708-1710), Dresden. Baumgarten -; Fb. -; H.-Cz. vgl. 4663 (dort in Silber); Dav. vgl. 1616 (dort in Silber und unter Polen); Schnee vgl. 1007 (dort in Silber); Kahnt vgl. 259 (dort in Silber).

DEUTSCHE MÜNZEN UND MEDAILLEN
SACHSEN, SACHSEN, KURFÜRSTENTUM

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Losnummer 4887




Schätzpreis: 25.000,00 €
Zuschlag: 65.000,00 €


Friedrich August I. 1694-1733 (August der Starke).
Goldabschlag zu 11 Dukaten von den Stempeln des 32 Groschen-Stückes (Speziesreichstaler, Doppelgulden) o. J. (1708-1710), Dresden. Goldener Schmetterlingstaler. 38,40 g. Gekröntes Monogramm AR, im Abschnitt Wertangabe//Schmetterling mit je drei Flügeln.
Baumgarten -; Fb. -; H.-Cz. vgl. 4663 (dort in Silber); Dav. vgl. 1616 (dort in Silber und unter Polen); Schnee vgl. 1007 (dort in Silber); Kahnt vgl. 259 (dort in Silber).

GOLD. Von allergrößter Seltenheit. Vermutlich Unikum. In Etui. Späterer Abschlag von den Originalstempeln. Vorzüglich

„Von den zahlreichen Gedenkmünzen und Sonderprägungen aus der Regierungszeit des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August des Starken (1694/97-1733) geben uns nach wie vor die Schmetterlingsmünzen die größten Rätsel auf“ (Paul Arnold, Die <<Schmetterlingsmünzen>> Augusts des Starken, in: Neuer Zürcher Münzbote Nr. 24, Oktober 1990 [unpag.] S. 2-9). Diese vor 25 Jahren formulierte Aussage des langjährigen Direktors des Münzkabinetts der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und ausgewiesenen Kenners der sächsischen Numismatik gilt bis zum heutigen Tage.
Die hier vorliegende Prägung zu 11 Dukaten stammt aus den Stempeln des Speziesreichstalers oder Doppelguldens zu 32 Groschen (vgl. P. Arnold in Schweizerische Numismatische Rundschau Bd. 59, 1980, S. 85f, in der numismatischen Literatur fälschlicherweise als Kuranttaler bezeichnet), der im vorgeschriebenen Rauhgewicht von 27,52 g ausgebracht wurde.  Als weitere Nominale der Schmetterlingsmünzen existieren der Gulden zu 16 Groschen, der Halbgulden zu 8 Groschen, der Viertelgulden zu 4 Groschen und der Groschen. Die Prägewerkzeuge sind heute noch im Stempelarchiv des Dresdner Münzkabinetts erhalten. Im 18. und 19. Jahrhundert erfolgten damit offizielle Nachprägungen, oft in variablen unspezifischen Abweichungen zur  Gewichtsnorm (Arnold, Schmetterlingsmünzen a. a. O. [unpag.] S. 3). Die Serie der sogenannten Schmetterlingsmünzen ist in einer klaren, maßvollen Komposition und ganz einheitlich gestaltet, mit Ausnahme des 8-Groschenstücks, das sich in der Rückseitendarstellung leicht von den übrigen Nominalen unterscheidet. Alle Stücke tragen auf der Vorderseite das mit einer Königskrone überhöhte Monogramm aus den Buchstaben A und R für „Augustus Rex“. Im Abschnitt ist die jeweilige Wertangabe angegeben. Die Rückseite trägt die Darstellung eines schmetterlingsartigen Insekts, das so in der Natur nicht existiert. In widernatürlicher Darstellung trägt es drei (statt zwei) Flügelpaare sowie zwei Fühlerpaare (statt einem). Zudem ist der ganze Leib bis zum Kopfansatz als eine Einheit gestaltet, mit einer medianen Buckelreihe und horizontal-wulstartig strukturiert. Bei Schmetterlingen ist aber der aus zwölf Segmenten bestehende Hinterleib durch eine Art Taille von der Brust- respektive Rückenpartie abgesetzt. Auf die Darstellung von Beinen hat der Stempelschneider hier gänzlich verzichtet. Den Schmuck der Flügel bilden runde Horizontal-Vertikalschraffuren. Versteht man diese Gitterschraffuren als heraldische Tinktur, so steht sie für die Farbe schwarz. Die ansonsten leer belassenen Felder der Flügel repräsentierten unter heraldischem Aspekt die Farbe Silber oder Weiß. Damit ist jene farbliche Kombination gegeben, die im schwarz/weiß zweigeteilten Feld des sächsischen Kurschildes begegnet. Da die verschiedenen Wertstufen der Schmetterlingsmünzen eine unterschiedliche Menge von schraffierten Punkten auf den Schmetterlingsflügeln aufweisen, deutet dies nicht auf eine darin verborgene Zahlensymbolik hin. Die unnaturalistische Umsetzung des Schmetterlingsmotivs ist offenkundig gewollt und nicht Resultat eines stümperhaften Entwurfs oder einer schlechten Graveurarbeit. Aus diesem Grunde verbietet sich eine zoologische Bestimmung und Deutung der Darstellung als Apollofalter, wie dies verschiedentlich unternommen worden ist, mitunter mit darauf aufbauenden, weit reichenden Ableitungen (Selbstdarstellung des König August II. als antiker Gott Apoll). August der Starke hätte zweifelsohne unter den fähigen Stempelschneidern, die für seine Münzstätten Dresden und Leipzig arbeiteten, mehr als eine Person gefunden, die befähigt gewesen wäre, ein nahezu perfektes naturalistisches und anatomisch korrektes Abbild eines Schmetterlings in die Prägeeisen zu gravieren. Der höchstseltene Halbgulden (Kahnt 261) weicht vom geschilderten Schema leicht ab. Auch hier ist der „Schmetterling“ mit drei Flügelpaaren, jedoch mit nur einem Fühlerpaar ausgerüstet, sein Kopf zudem nach links gewandt. Die gesamte Gruppe der Schmetterlingsmünzen trägt weder Umschriften noch Jahreszahl, ebenso fehlen Münzmeisterzeichen oder Stempelschneidersignaturen.
Der Schmetterling gilt seit dem klassischen Altertum unter mancherlei Aspekten als Sinnbild. In der Antike stand er nicht nur für Leichtigkeit und Unstetigkeit, sondern auch für die menschliche Seele. Die biblische Kunst knüpft an das letztere Deutungsschema an und erweitert dieses Spektrum, indem sie im Blick auf die Verwandlung der Raupe zum voll entwickelten Fluginsekt den Schmetterling als Symbol für die Auferstehung und Erlösung verwendet. Auch in anderen profanen Zusammenhängen fungiert der Schmetterling als Symbol für Erneuerung und Veränderung, mitunter aber auch als Zeichen der Vergänglichkeit.
So interpretierte Hutten-Czapski diese Gruppe kursächsischer Prägungen als Sterbemünzen August des Starken und postulierte somit deren Entstehung in das Jahr 1733 (Hutten-Czapski Bd. II, S. 395, Nr. 463). Andere Autoren stellten diese Stücke ohne tragfähige Beweisführung in Zusammenhang mit der von 1705 bis 1713 währenden Liebesbeziehung Augusts des Starken mit Anna Constantia geborene von Brockdorff und geschiedene von Hoym, (seit 1706) Reichsgräfin von Cosel. Mit wohl gewählten und nachvollziehbaren Argumenten beansprucht Paul Arnold hingegen für die Entstehungszeit dieser Prägungen die Zeitspanne zwischen dem Verzicht Augusts des Starken auf den polnischen Thron im Frieden von Altranstädt am 24. September 1706 und der Wiedererlangung der polnischen Krone im Jahre 1710. Gemäß dem Friedensvertrag durfte August auch nach Räumung des polnischen Thrones den persönlichen Königstitel weiter tragen. Auf den Schmetterlingsmünzen erscheint zwar das gekrönte Königsmonogramm, doch inschriftliche oder heraldische Hinweise auf das Königreich Polen fehlen. Arnold verweist in diesem Zusammenhang zu Recht auf Gruppe der 1708 bis 1710 in Dresden und Leipzig geprägten „MONETA SAXONICA“-Münzen. Sie wurden in einer umfangreichen Nominalreihe ausgebracht, die vom 10 Dukaten bis zum Pfennig reicht (Kahnt 5, 9, 17, 23, 31, 44-46, 69, 107, 124-126, 144, 145, 162, 170, 182, 190, 197, 208, 209, 220). Sie tragen ebenfalls das Königsmonogramm Augusts des Starken als maßgebendes Motiv auf der Rückseite und entbehren jeglicher Andeutung auf das polnische Königreich. Aufgrund dieser Analogie ließe sich die Ausgabe der Schmetterlingsmünzen in die Jahre zwischen 1708 und 1710 eingrenzen. Der Hintergrund dieser Emissionen ist freilich schwer zu erhellen. Zeitgenössische archivalische Dokumente zu den Schmetterlingsmünzen konnten bis heute nicht ermittelt werden. In die numismatische Literatur scheinen sie erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts Eingang gefunden zu haben. Nach unserer Kenntnis wurde eine Schmetterlingsmünze erstmals vom Königsberger Historiker Michael Lilienthal beschrieben (Vollständiges Thaler-Cabinet. Königsberg/Leipzig 1747, S. 200f. Nr. 563 a). Zudem setzte er ohne jegliche Quellenangabe oder Begründung die These in die Welt, dass die Schmetterlingsmünzen als Spielgeld gedient haben sollen („Sie sollen eigentlich bey einer gewissen Gelegenheit zu Spiel-Marquen gebrauchet worden seyn“). Diese Behauptung wurde von einigen späteren Autoren referiert und somit tradiert, doch konnte sie freilich nicht mit schlagenden Argumenten untermauert werden.
Zur Entschlüsselung des Prägeanlasses und der funktionalen Deutung dieser Prägungen könnte das Rückseitenmotiv mit beitragen. Dem schmetterlingsartigen Wesen kommt zweifelsohne eine emblematische Bedeutung zu. Nach unserer Auffassung dürfte der „Schmetterling“ auf diesen Prägungen als Symbol der Wandlung und Erneuerung verwendet worden sein und die Hoffnung und Zuversicht Augusts des Starken auf die Wiedererlangung der polnischen Krone zum Ausdruck bringen. Die drei Flügelpaare könnten ein Synonym für das Königreich Polen und das Großfürstentum Litauen sowie für Kur-Sachsen darstellen. Insofern wären die Schmetterlingsmünzen aus den Jahren von 1708 bis 1710 als Medium mit einer politischen Botschaft interpretierbar. Angesichts der unnaturalistischen Darstellung ist es wohl zu vermessen, das Schmetterlingsmotiv als Korpus einer verpuppten Schmetterlingslarve zu deuten, aus der Kopf und Flügel des schon voll ausgebildeten, schlüpfenden Insekts hervortreten, wenngleich der lanzettförmige, ungegliederte und ohne Beine ausgestattete Leib wie auch seine Oberflächengestaltung mit angedeuteten horizontalen Wülsten, die geradezu unter einer Haut zu liegen scheinen, eher an eine Insektenpuppe erinnern.
Nach unserem Ermessen sind die Schmetterlingsprägungen als offizielle Zahlungsmittel hergestellt worden und auf ihrer Rückseite mit einem Emblem versehen, das eine politische Botschaft verklausuliert. Das gekrönte Herrschermonogramm auf der Vorderseite, die Verwendung von Nominalangaben und die Folge der stimmigen Wertstufen der Silberstücke vom Groschen bis hin zum Speziesreichstaler oder Doppelgulden zu 32 Groschen bei Einhaltung der vorgeschriebenen Gewichte bei den Originalprägungen lassen die Schmetterlingsmünzen unschwer in die umfangreichen Reihe der unter August dem Starken verausgabten anlassbezogenen oder programmatischen Münzen aus den Münzstätten Dresden und Leipzig (Kahnt Nrn. 228-321) einbeziehen.